Kommentar |
In einer verhältnismäßig kurzen Zeit — den gut 4,6 Milliarden Jahren der Erde stehen lediglich etwa 12.000 Jahre seit der »Neolithischen Revolution« entgegen — hat der Mensch durch Zivilisations- und Kulturtätigkeiten die Umwelt (oder besser: Mitwelt) so stark verändert, dass inzwischen kaum noch von ›unberührter‹ Natur gesprochen werden kann: Bis in die tiefsten Stellen der Ozeane findet sich Mikroplastik; Rauch und Abgase dringen in die Atmosphäre und vergrößern das »Ozonloch«; Kernspaltungen setzen Radioaktivität frei; Tier- und Pflanzenarten sind künstlich verändert oder irreversibel ausgerottet, Flüsse begradigt und Wälder gerodet.
Genau hier setzt das aus den Erdsystemwissenschaften stammende Konzept des »Anthropozän« an — in der Grundprämisse davon ausgehend, dass sich der menschliche ›Fußabdruck‹ in planetarer Dimension längst so stark in die Erdgeschichte eingeschrieben hat, und das bisherige Zeitalter des »Holozän« vom »Anthropozän« abgelöst werden müsse: Wird dabei die ›Natur‹ als mediales Archiv und Wissensspeicher über die Stratigraphie der Eisbohrkerne oder Gesteinsschichten ›ausgelesen‹, ist das Konzept des »Anthropozän« umgekehrt in den vergangenen Jahren durch die gesellschaftliche, politische und ökonomische Brisanz des menschgemachten Klimawandels auch zu einem kulturwissenschaftlichen Denkmodell und einer künstlerischen Metapher in Literatur oder Film geworden. Hierbei zeigt sich aber auch, dass traditionelle Formen der Naturlyrik, der Landschaftsmalerei oder der Umweltfotographie kaum mehr ›angemessen‹ scheinen, und Schriftsteller:innen und Künstler:innen in den vergangenen Jahren mit anderen innovativen Ansätzen experimentieren (müssen), die den neuen Bedingungen des »Anthropozän« und der agency des Menschen als destruktivem ›Anthropos‹ mehr entsprechen (können).
Die Vorlesung sollen daher die Bereiche von wissenschaftlichem Denken einerseits und medialen Repräsentationen andererseits zusammenbringen und in dieser Verknüpfung von ›Theorie‹ und ›Medien‹ programmatisch aufzeigen, wie ein so abstraktes Konzept wie das »Anthropozän« durch künstlerische/literarische/filmische Interventionen überhaupt ›dargestellt‹ und einer breiten Öffentlichkeit vermittelt werden kann. |