Kommentar |
Tony Soprano (The Sopranos), Walter White (Breaking Bad) oder Vincent Vega (Pulp Fiction) haben eins gemeinsam: Sie handeln moralisch eindeutig negativ, erwürgen Leute mit Telefonkabeln, leiten ganze Drogenimperien oder sind beruflich Auftragskiller. Sie habe aber auch noch etwas anderes gemeinsam: Sie sind allesamt keine waschechten Bösewichte und Superschurken, sondern auf verschiedene Art und Weise „relatable” oder sogar sympathisch: Der arme Tony Soprano leidet an Panikattacken und muss zur Therapie, versucht aber trotzdem seine Ehe zu retten und will aufrichtig nur das Beste für seine Tochter, Walter White will mit anfangs liebeswert nerdig und stümperhaft angestellten Drogengeschäften kurz vor seinem Tod noch einen auskömmlichen College-Fund für seinen Sohn erwirtschaften und Vincent Vega ist immerhin so „cool”, dass der Tanz, den der Darsteller John Travolta mit Uma Thurman in Tarantinos Pulp Fiction tanzt, bis heute zu später Stunde auf Partys nachgetanzt wird.
Im Seminar wollen wir uns solche „ambivalenten Charaktere” genauer ansehen. Wir werden dazu in einem Theorieteil die in der Ästhetik geführte „Ethik-Ästhetik-Debatte” nachvollziehen und sehen, ob man Kunst überhaupt moralisch bewerten kann, und wenn ja, ob und inwiefern moralische Defizienzen Einfluss auf die ästhetische Qualität eines Kunstwerks haben können. Der „Moralismus” behauptet zum Beispiel, dass moralisch problematische Werke auch ästhetisch immer defizient sind. Anhand von Film- und Serienbeispielen wie den obigen werden wir diese (und andere) Thesen dann in der Praxis überprüfen und weitere damit zusammenhängende Fragen etwa nach den filmischen Techniken zur Charakterzeichnung und rezipientenseitiger Sympathielenkung diskutieren.
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