Kommentar |
„Kind, er ist ein Mann wie die andern und alle zusammen sind’s nicht eine böse Stund’ wert, so setzt du dir weiß Gott was für Sachen in den Kopf. Ich sag’s aber immer: Den Männern soll man überhaupt kein Wort glauben”, belehrt Mizi ihre Freundin Christine in Schnitzlers Liebelei (1895), während ihr Liebhaber Theodor philosophiert: „Wir hassen nämlich die Frauen, die wir lieben – und lieben nur die Frauen, die uns gleichgültig sind.”
Der Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert ist ein Zeitraum, der sich literaturgeschichtlich durch das Nebeneinander von unterschiedlichen Ästhetiken und eine Fülle von teilweise konkurrierenden Epochen-, bzw. Stilbegriffen auszeichnet: Impressionismus, Symbolismus, Wiener Moderne, Décadence… Als Kernthemen dieser Zeit, die als „Aufbruch in die Moderne” (Kimmich/Wilke 2011) verstanden wird, gelten eine fortschreitende Urbanisierung, die Entstehung neuer sozialer Schichten und Konflikte, die Krise des Subjekts als in sich einheitliche, stabile Instanz und eine Veränderung tradierter Körper- und Geschlechterkonzepte.
Die Übung konzentriert sich auf ausgewählte Dramentexte, u.a. von Arthur Schnitzler, Oscar Wilde und Anton Tschechow, die in ihren literaturgeschichtlichen Kontexten untersucht werden. Thematisch steht die Frage im Vordergrund, wie die Texte am Wandel von Geschlechterkonzepten partizipieren. Welche Konzepte von Weiblichkeit und Männlichkeit werden entworfen – und inwiefern sind sie aufeinander bezogen? Welche Rolle spielen sie in der Selbst- und Fremdcharakterisierung der Figuren? Wie wirken sie sich auf Beziehungen aus? Und: Welche Funktionen haben sie in den jeweiligen Texten und Gattungen?
Im letzten Drittel des Semesters werden wir unseren Blick auf den Bereich der Rezeptionsgeschichte erweitern und ausgewählte Inszenierungen der Dramen untersuchen.
Alle Texte, Ausschnitte und Filmdateien werden über Microsoft Teams zur Verfügung gestellt. |