Kommentar |
Dass die gesellschaftliche Moderne auch die Literatur verändert hat, spiegelt sich in keinem Oeuvre der deutschen Literatur des 19. Jahrhundert so deutlich wie in den poetologischen Vexierspielen Heinrich Heines. Die Verlassenheiten des Liebenden, des Kämpfenden, des Exilierten und schließlich des Sterbenden sind - und gerade die Verschränkung dieser Aspekte macht die Eigenart Heines aus - kalkuliertes literarisches Arrangement, aber auch dichterischer Ausdruck der eigenen Lebenswirklichkeit. Als solche sind sie ein Teil der komplexen, doch für das Verständnis des Werkes wesentlichen Verschränkung von Faktischem und Fiktionalem, von dichterischem Werk und literarischer Inszenierung des eigenen Lebens. Sie sind Manifestationen der existentiellen Erfahrung des Verlassenseins des modernen Menschen und zugleich eine wesentliche Voraussetzung der eigenen künstlerischen Produktion. Indem das Werk des Dichters Formen und Motive der abendländischen Dichtungstradition anverwandelnd zitiert und fortschreibt, antizipiert sein Oeuvre bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die geistesgeschichtlichen und literarischen Verwerfungen der Moderne in der zweiten Jahrhunderthälfte.
Die Vorlesung betrachtet das dichterische und essayistische Werk sowohl im Kontext der deutschen Literatur der Jahre 1815 bis 1860 als auch in seiner Bezogenheit auf die Diskurse der französischen Dichtung der Zeit. |