Kommentar |
Am 3. Juli 2005 meldete die Hessisch-Niedersächsische Allgemeine, dass am Tag zuvor ein geistig verwirrter 37jähriger Mann in Rotenburg drei Kinder mit einem Schwert bedroht hatte. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung fand die Polizei ein weiteres Schwert und einen Dolch. Meldungen wie diese finden sich in den letzten Jahren gehäuft in den Tageszeitungen, wären jedoch vor 30 Jahren noch undenkbar gewesen. Vor Beginn der 1980er Jahre fand man Schwerter jenseits privater Sammlungen bevorzugt in Museen. Das Revival des Schwertes als Dekorationsobjekt und Waffe gehört wohl in den Kontext der Popularisierung des Mittelalters, die seit den 1980er Jahren zahlreiche Blüten trieb und treibt. Inzwischen gehören Mittelaltermärkte, Mittelalterliche Restaurants, Ritterspektakel, Rollenspiele und selbst professionelle Minnesänger zur Eventkultur. Die Popularität des Mittelalters hat zur Ausbildung spezieller Wirtschaftszweige geführt, die von maßgeschneiderter Kleidung nach mittelalterlichen Vorbildern bis hin zu Nachbildungen mittelalterlicher Waffen nahezu jeden (Konsum-)Wunsch befriedigen.
Das Seminar fragt nach den Hintergründen und der konkreten Ausgestaltung dieser Popularität des Mittelalters im 20. und 21. Jahrhundert. Was macht das Faszinosum ausgerechnet dieses lange als finster und barbarisch geltenden Zeitalters heute aus? Welches Mittelalterbild vermitteln die unterschiedlichen Inszenierungen? Wie viel „Mittelalter“ steckt wirklich in heutigen Ritterspielen, Minnesängerwettbewerben, Mittelaltermärkten usw.? Das Seminar ist auch empirisch angelegt; deshalb wird die Bereitschaft zu eigenständigen Forschungen unter Anleitung erwartet. |
Literatur |
Die Deutschen und ihr Mittelalter, hrsg. v. Gerd Althoff, Darmstadt 1997.
Barbara Korte, Sylvia Paletschek (Hg.), History Goes Pop. Zur Repräsentation von Geschichte in populären Medien und Genres, Bielefeld 2009.
Darüber hinaus erforderlich: Offene Augen und Ohren für „Mittelalterliches“ im Freundes- und Bekanntenkreis, in Tageszeitungen, Fernsehen und Radio sowie im Internet |