Der Rifkrieg in der spanischen und marokkanischen Gegenwartsliteratur - Einzelansicht

Der spanisch-marokkanische Rifkrieg (1921-26) begann als lokaler Aufstand gegen die spanische Protektoratsmacht und führte zur verlustreichsten Niederlage der spanischen Kolonialgeschichte; darüber hinaus zur Proklamation eines eigenen Staates im marokkanischen Norden, der sich schließlich der vereinten spanisch-französischen Übermacht ergeben musste. Nachdem der Rifkrieg aus ganz unterschiedlichen Gründen weder in Spanien noch in Marokko langfristig zum gesellschaftlich relevanten lieu de mémoire wurde, zeichnet sich mit dem Beginn des 21. Jahrhunderts – zumindest auf literarischem Gebiet – eine Tendenz zur Wiederbelebung des historischen Sujets ab. Auf beiden Seiten des estrecho beschäftigen sich Schriftsteller mit der Rekonstruktion des Rifkriegs – jedoch aus ganz unterschiedlichen Perspektiven. Spanische wie marokkanische Autoren setzen sich vor dem Hintergrund regionaler und nationaler Erinnerungsdiskurse mit den Gründen und Folgen des Vergessens auseinander. Ein besonderes Anliegen der marokkanischen Autoren ist hierbei die Rekonstruktion der Geschichte aus eigener, postkolonialer Perspektive. Zudem ist die literarische Repräsentation des Rifkriegs auch immer Verhandlung von Fremd- und Selbstwahrnehmungen und grundlegend abhängig von intertextuellen Bezügen auf sehr unterschiedliche Prätexte schriftlicher wie mündlicher Erzähltraditionen.

Im Seminar werden wir, nach einer Einführung in historische und aktuelle Kontexte, drei repräsentative Romane untersuchen. Der frankophone marokkanische Schriftsteller Abdelhak Serhane (geb. 1960) vermittelt die Geschichte des Rifkriegs in seiner Erzählung Les Temps noirs (2002) als Legende, in der sich (post)koloniale Identitäts- und Sprachproblematik spiegelt. Mohamed Bouissef Rekab (geb. 1948) vertritt die literatura marroquí de expresión española und entwirft in seinem multiperspektivischen Roman El dédalo de Abdelkrim (2002) einen hybriden, interkulturellen Raum, dem eine Scharnierfunktion zwischen den literarischen Geschichtsversionen Marokkos und Spaniens zukommt. Der spanische Schriftsteller Lorenzo Silva (geb. 1966) wiederum schreibt die konventionellen Gattungsmuster früherer Rifkriegsromane weiter und aktualisiert gleichzeitig deren Bezüge zu kollektiver Erinnerung, Identität und Alterität.

Die drei Primärtexte sollten zum Beginn des Blockseminars angeschafft und gelesen sein. Sie werden in folgender Reihenfolge behandelt:

Serhane, Abdelhak: Les Temps noirs, Paris: Seuil, 2002.

Bouissef Rekab, Mohamed: El dédalo de Abdelkrim, Granada: Port-Royal Ediciones, 2002

Silva, Lorenzo:  El nombre de los nuestros, Barcelona: Destino 2001 

Weitere Literatur zur Einführung sowie eine Bibliographie finden Sie ab Beginn des Semesters im Handapparat in der Bibliothek