Kommentar |
Eigentlich ist die klassische Moderne eine naturwissenschaftliche. Es gibt kaum einen Autor, der nicht einschlägig vorgebildet oder gar qualifiziert wäre: Musil in der empirischen Psychologie, Jünger in der Biologie, Broch in der Mathematik, Mann im Sinn eines "höheren Abschreibens" in der Medizin und Physik. Welche Funktion hat dieser Blick über den Tellerrand für die inhaltliche und/oder erzählerische Ebene, für die formale Gestaltung der zugehörigen Texte? Welche Rolle spielt er bei der Transformation von außerliterarischer Weltwahrnehmung in Literatur ('kognitive Praxen')? Und: Welcher gangbare Weg führt von diesen philologischen Fragestellungen in die Wissenschaftsgeschichte (Quantenphysik, empirische Psychologie) und wieder zurück zur Philologie? Diesen Zielfragen gemäß werden wir im Seminar sowohl textnah als auch methodenkritisch arbeiten.
Noch ein Hinweis: Wissenschaftshistorische Philologen und Wissenschaftshistoriker haben in den seltensten Fällen eine Naturwissenschaft studiert: Sie müssen also nicht ausgebildeter Quantenphysiker sein, um an diesem Seminar teilnehmen zu können... |
Literatur |
Primärtexte (unter anderen):
Robert Musil: "Der Mann ohne Eigenschaften", in: Gesammelte Werke, hg.v. Adolf Frisé, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1981. Bände 1 und 2.
Robert Musil: "Nachlaß zu Lebzeiten", Gesammelte Werke, Band 7 (Kleine Prosa, Aphorismen, Autobiographisches). Darin: "Türen und Tore", "Triëdere", "Der bedrohte Ödipus".
Thomas Mann: "Doktor Faustus" (wenn möglich: Große kommentierte Frankfurter Ausgabe, Bd.10/1, 2007).
Hermann Broch: "Methodisch konstruiert/Eine methodologische Novelle", in: "Die Schuldlosen", Zürich: Rhein-Verlag, 1950, S.56-73.
Hermann Broch: "Die unbekannte Größe", Zürich: Rhein-Verlag, 1961.
Ernst Jünger: Auszüge aus "Strahlungen", "Das abenteuerliche Herz", "Subtile Jagden", Sämtliche Werke, Stuttgart: Klett-Cotta, 1979.
Sekundärliteratur:
Malte Herwig: "Bildungsbürger auf Abwegen: Naturwissenschaft im Werk Thomas Manns", Frankfurt am Main: Klostermann, 2004.
Christoph Hoffmann: "'Der Dichter am Apparat'": Medientechnik, Experimentalpsychologie und Texte Robert Musils 1899-1942", München: Fink, 1997.
Jens Loescher: „Schreibexperimente und die 'Psychologie der ersten Stunde': Musil, Wittgenstein, Kafka, Robert Walser“, Wirkendes Wort, Bd.62/1, 2011, S.95-127.
Ruth Bendels: "Erzählen zwischen Hilbert und Einstein. Naturwissenschaft und Literatur in Hermann Brochs "Eine methodologische Novelle" und Robert Musils "Drei Frauen", Würzburg, 2008. |