Kommentar |
Die Anwendung und Erfahrung von Gewalt zählt zu den elementaren Erfahrungen vieler Menschen in Geschichte und Gegenwart. Das Thema der Gewalt ist schon deshalb auch eines der zentralen Themen der Historischen Anthropologie/Europäischen Ethnologie. Dabei sind nicht nur die Formen der Anwendung von Gewalt, sondern vor allem auch deren Akzeptanz historisch und kulturell variabel. In der vormodernen Gesellschaft beispielsweise galt es als legitim bzw. sogar erwünscht, dass Männer ihre verletzte Ehre im Kampf und damit über den Einsatz körperlicher Gewalt verteidigten. Auch Gewalt gegenüber Frauen und Kinder war über das sogenannte ‚Züchtigungsrecht’ in gewissen Grenzen geduldet, wurde sogar als notwendig erachtet. Gewalt war auch zentraler Bestandteil des vormodernen Strafsystems, in dem eben auch Strafen an Leib und Leben verhängt wurden.
Die moderne westliche Gesellschaft hat eine andere Einstellung zur Gewalt, auch wenn diese mehr oder weniger verdeckt nach wie vor eine Rolle in den Alltagserfahrungen zahlreicher Menschen spielt. Wir fragen in dieser Lehrveranstaltung vor allem nach der kulturellen Bedingtheit der Anwendung und Wahrnehmung von Gewalt in historischer wie gegenwärtiger Perspektive. Welche Formen von Gewalt galten und gelten als legitim (nicht legal), wo zogen und ziehen die Zeitgenossen die Grenzen? Dabei spielt auch die rechtliche Behandlung von Gewalt eine Rolle, denn auch diese ist historisch und kulturell variabel. Wir widmen uns allerdings ausschließlich der Gewalt im Alltagsleben, die kriegerische Gewalt wäre ein eigenes Thema. |