Kommentar |
Minnelyrik gehört im Kanon der für ein Proseminar mittelhochdeutsche Lektüre – als einer Einführung in die mittelhochdeutsche Sprache und Literatur der „Blütezeit“ – geeigneten Texte zugleich zu den dankbarsten wie auch zu den problematischsten Optionen: Dankbar sicherlich deshalb, weil sich Dichtung, die sich mit dem „ewigen Thema“ Liebe beschäftigt, von vielen Gegenständen mittelalterlicher deutscher Literatur wohl noch am ehesten des Interesses heutiger Leser erfreuen darf; problematisch deshalb, weil einerseits das zeitgenössische Minneverständnis im Vergleich zu unserem heutigen westlichen Umgang mit Geschlechtlichkeit und Gefühl fremd und gekünstelt wirken muß, andererseits, weil Minnelyrik – im Gegensatz ebenso zu der Meinung noch uneingeweihter Leser wie der der früheren Forschung – eben keine „Erlebnisdichtung“ war, sondern eine mehr oder minder kunstvolle Gestaltung einigermaßen festgeschriebener literarischer Rollen. Beide angeführten problematischen Punkte konvergieren insbesondere in den Liedern Reinmars, der um 1200 gedichtet hat. Die herausragende künstlerische Qualität seiner Werke und ein außerordentlich elaborierter Stil sowie ein charakteristischer – wenn auch nicht allein beherrschender – melancholischer Tonfall machen diesen Dichter zum bedeutendsten Vertreter „hoher“ Minnedichtung neben dem vielgesichtigeren und schwerer zu fassenden Walther von der Vogelweide. Anhand ausgewählter Lieder aus seinem Werk, die ein hohes Sprachniveau mit einer besonders profilierten Formung des vorgegebenen Rollenschemas verbinden, soll im Seminar neben der Einübung in das Lesen und Übersetzen mittelhochdeutscher Texte und einer fundamentalen sprachgeschichtlichen Einführung in das Mittelhochdeutsche so auch ein erster Kontakt mit dem ebenso komplexen wie faszinierenden Gebiet der Minnelyrik als solcher ermöglicht werden.
Zum Typ der Proseminare mittelhochdeutscher Texte werden Tutorien angeboten:
dienstags, 12-14 c.t., Geb. C 5.2, R. 1.08 (Nadine Moseler) (https://www.lsf.uni-saarland.de/qisserver/rds?state=verpublish&status=init&vmfile=no&publishid=71420&moduleCall=webInfo&publishConfFile=webInfo&publishSubDir=veranstaltung)
donnerstags, 12-14 c.t., Geb. C 5.3, R. 209 (Kristina Wenzel) (https://www.lsf.uni-saarland.de/qisserver/rds?state=verpublish&status=init&vmfile=no&publishid=71421&moduleCall=webInfo&publishConfFile=webInfo&publishSubDir=veranstaltung) |
Literatur |
Textgrundlage: Des Minnesangs Frühling, Bd. I: Texte, Hugo Moser und Helmut Tervooren (Hgg.), Stuttgart 381988, ND ebd. 2007. Die unvollständige Ausgabe: Reinmar: Lieder. Mittelhochdeutsch/ Neuhochdeutsch, Günther Schweikle (Hg., Übs., Komm.) (RUB 8318), Stuttgart 1986 u.ö., kann zusätzlich nur gelegentlich und begleitend eingesetzt werden und die zuerst genannte Ausgabe im Seminar nicht ersetzen !
Vorbereitende Lektüre: Schweikle, Günther: Art. ‚Reinmar der Alte‘, in: Kurt Ruh u.a. (Hgg.): Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, 2. Aufl., Bd. 7, Berlin/New York 1989, Spp. 1180-1191; Weddige, Hilkert: Mittelhochdeutsch. Eine Einführung, München 82010. |