Bemerkung |
»[...] ich sehe nicht, welcher Zusammenhang zwischen einem Fünf-Franc-Stück und einer Idee bestehen sollte. Kunst muß um der Kunst willen geliebt werden; ansonsten ist jedes andere Handwerk mehr wert.« (Flaubert)
Niklas Luhmann (1927-1998) und Pierre Bourdieu (1930-2002) gelten als zwei der renommiertesten Soziologen des 20. Jahrhunderts. Es gibt inzwischen zahlreiche literaturwissenschaftliche Zugänge, die in unterschiedlicher Weise an Luhmanns Systemtheorie oder Bourdieus Feldtheorie anknüpfen. Über alle Unterschiede ihrer Gesellschaftstheorie hinweg haben Luhmann und Bourdieu gemein, dass sie sich kunst- und literatursoziologischen Fragestellungen widmen. Sie suchen unter anderem Antworten auf die Frage, welche Funktion und Position Kunst bzw. Literatur in der modernen Gesellschaft einnehmen.
Die Übung verfolgt das Ziel, die Studierenden mit literaturtheoretischen Fragestellungen vertraut zu machen, indem ein methodenbewusster und kritisch-distanzierter Umgang mit Texten eingeübt wird. In einem ersten Block sind die Grundlagen der System- und Feldtheorie in den Blick zu nehmen und literaturtheoretisch zu perspektivieren. Im zweiten Block werden autoreflexive Texte von Hugo von Hofmannsthal, Robert Musil, Virginia Woolf, T.S. Eliot und Jean-Paul Sartre untersucht, die die bei Luhmann und Bourdieu soziologisch verhandelten Fragen auf je eigene Weise zu beantworten suchen. Die Fokussierung auf autoreflexive Texte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts liegt darin begründet, dass die Frage nach dem Verhältnis von Literatur und Gesellschaft zu Beginn des 20. Jahrhunderts erstmals systematisch in den Blick genommen (Simmel, Lukács) und von Schriftstellern virulent reflektiert wird.
Im Sinne eines weiten Hermeneutikbegriffs nutzen wir die system- und feldtheoretischen Überlegungen Luhmanns und Bourdieus als Rahmen für eine historisch-soziologische Kontextualisierung der poetologischen Selbstreflexionen. Indem die Texte mit Gesellschaftstheorien konfrontiert werden, geraten immer auch Vor- und Nachteile literatursoziologischer Zugänge in den Blick. |