Als Woody Allen 2012 seinen bis dato letzten Spielfilm "To Rome with love" im Rahmen seines filmischen Europastreifzugs ("Match Point", "Vicky, Christina, Barcelona", "Midnight in Paris") vorlegte, hagelte es angesichts des darin gezeigten Rom-Bildes heftige Kritik. Man warf dem Altmeister Allen vor, er würde mit seinem Film nur klischeehafte Postkartenansichten eines "touristischen" Blicks auf die Ewige Stadt verbreiten.
Der italienische Location Scout für Woody Allen, Francesco Colicigno, begegnete den Kritikern in der Wochenzeitung "Die Zeit" wie folgt: Was erwarten diese Leute denn? Woody Allen ist ein Ausländer, der hier eine romantische Komödie gedreht hat. Natürlich wird da mit Klischees gearbeitet. Natürlich werden da Sehenswürdigkeiten ins Bild gehoben. Sollte er etwa einen schonungslos realistischen Blick in die Hinterhöfe werfen? [...] Die Idee war, die Stadt von ihrer schönsten Seite zu zeigen. Der Trevi-Brunnen sollte zum Beispiel unbedingt dabei sein, das Kolosseum, die Via Veneto. Aber es ging natürlich auch um geeignete Wohnungen, Hotelzimmer und städtische Treffpunkte für die Protagonisten aus dem Film.
Colicignos Äußerung wirft einige Fragen auf: Welche Aspekte werden in der Abbildung einer Stadt ausgespart, welche hervorgehoben? Gibt es Motive, die in der Darstellung europäischer Städte in Hollywoodfilmen immer wieder auftauchen? Wie werden diese in die filmische Narration eingebaut? Wann wird on-location gedreht, wann greift Hollywood auf eine Nachbildung mitunter kompletter Straßenzüge als Studiokulisse zurück? Welches Bild zeichnet die Traumfabrik vom alten Europa?
Diese und weitere Fragen stehen im Fokus des Blockseminars, das den Blick jenseits Roms auf die Darstellung weiterer europäischer Kapitalen im Film wie London, Paris oder Berlin ausweitet, wobei in einer filmwissenschaftlichen Analyse ausgewählter Hollywoodproduktionen sowohl Klassiker wie "Roman Holiday" (William Wyler, 1953) und "An American in Paris" (Vincente Minelli, 1951) als auch jüngere Spielfilme wie "Ocean's 12" (Steven Soderbergh, 2004) oder "Inception" (Christopher Nolan, 2010) Berücksichtigung finden.
Das Pariser Hotel de Ville widmete der Darstellung seiner, der französischen Hauptstadt im Hollywoodfilm 2012 sogar eine eigene Ausstellung ("Paris vu par Hollywood"), die die bereits über ein Jahrhundert umspannende wechselhafte Geschichte der Europadarstellung im Hollywoodfilm illustrierte.
Die Seminarteilnehmer stellen somit kritische Fragen zur Imagination und Projektion des Europabildes im populären Unterhaltungsfilm. Integraler Bestandteil des Seminars bildet eine begleitende Kinoreihe. Die Teilnahme (ermäßigter Sonderpreis) ist für die Kursteilnehmer verpflichtend.
Woody Allens "To Rome with love" entpuppte sich übrigens trotz der geäußerten Kritik am imaginierten Europabild unterdessen als großer Publikumserfolg. |