Kommentar |
Die moralische Normativität gibt der Moralphilosophie bis heute ein Rätsel auf. Was ist das für ein eigentümliches Müssen, auf das in einem Satz wie „Du musst deine Versprechen halten“ Bezug genommen wird? Man muss seine Versprechen halten, so verlangt es die Moral, aber jeder weiß, dass man durchaus anders handeln kann, dass man sehr wohl ein Versprechen auch nicht halten kann. In welchem Sinne muss man also seine Versprechen halten? Und ist diese eigentümliche Müssen ein Teil der Wirklichkeit? Wenn ja: wie ist es zu verstehen?
Der Philosoph Peter Stemmer gibt auf diese Fragen eine klare und radikale Antwort: Moralische Normativität ist ein menschliches Konstrukt, und moralisch sein muss, wer spezifisch moralische Sanktionen wie z.B. soziale Ausgrenzung vermeiden will. Insbesondere in seinem Buch Normativität. Eine ontologische Untersuchung entwickelt Stemmer eine originelle Antwort auf die Frage, von welcher Art das moralische Müssen ist, was seine Existenzbedingungen sind und was den mit ihm gegebenen Handlungsdruck erzeugt. Für Stemmer ist die moralische Normativität ein Teil der subjektiven, betrachterabhängigen Wirklichkeit und ist vollständig auf der Basis des philosophischen Naturalismus erklärbar. Seine Position bildet einen zentralen und kontrovers diskutierten Bezugspunkt in der zeitgenössischen Debatte um Fragen nach den Bedingungen und dem Zusammenhang von Normativität und Moral.
Wir werden zentrale Kapitel aus dem Buch Normativität lesen und diskutieren. Zusätzliche werden Auszüge aus seinem Buch Handeln zugunsten anderer sowie ein oder zwei kritische Artikel zu Stemmers Position herangezogen. |