Das um ca. 1250 entstandene mittelhochdeutsche Versepos ,Wolfdietrich‘ erzählt die Geschichte eines jungen Königs, dessen Brüder ihm sein Erbland vorenthalten. Wolfdietrich ist unehelich geboren und soll deshalb nicht erbberechtigt sein. Im Verlauf der Erzählung werden Fragen ganz unterschiedlicher Natur thematisiert: Wie legitimiert sich Herrschaft, wie verhält sich ein rechtmäßiger und gerechter Herrscher? Wie erringt man die Liebe einer Prinzessin, die in einem Turm eingeschlossen ist und keinen Kontakt zur Außenwelt hat? Wie umgeht man eine Liebesnacht mit einer zotteligen Frau? Wie verhält sich ein Ritter, wenn ihm die Gattin abhanden gekommen ist? Der Text schöpft dabei aus einem umfangreichem Repertoire an Motiven und Erzählmustern aus älteren Texten der mittelhochdeutschen Literatur und oszilliert oft zwischen ernsthaftem Duktus und schwankhaftem Erzählen. Im Seminar werden wir den mittelhochdeutschen Text lesen und in Auszügen schriftlich übersetzen, wir werden uns mit Fragen zur Gattungskonstitution mittelalterlicher Texte und der konkreten Einordnung des ,Wolfdietrich‘ auseinandersetzen, die Grundlagen der Editionphilologie mit traditionellen und neueren Ansätzen kennenlernen und natürlich interpretatorisch mit dem Text arbeiten. Da der Text ausschließlich in einsprachigen Ausgaben zugänglich ist, wird die Bereitschaft vorausgesetzt, sich auf mittelalterliches und mittelhochdeutsches Erzählen einzulassen. Der ,Wolfdietrich‘ wird zu Beginn der Vorlesungszeit in einem Handapparat als Kopiervorlage in der IB zugänglich sein. |