Kommentar |
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Nach Kant besteht der normative Bereich der Moral und des Rechts aus Gesetzen, die von der Vernunft gegeben und daher allgemeingültig sind. Genauso wie die Allgemeingültigkeit der Moralgesetze beruht auch die Allgemeingültigkeit der Rechtslehre daher auf metaphysischen Prinzipien, denen Kants Rechtslehre ihren Titel verdankt: „Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre“ (1797). Das allgemeine Prinzip des Rechts ist die Koexistenz der Handlungsfreiheit aller Vernunftwesen nach allgemeinen Gesetzen. Es wäre aber falsch, die Gewinnung der weiteren metaphysischen Rechtsprinzipien sowie der weiteren Rechtsbestimmungen als eine bloße „mechanische“ Ableitung von diesem allgemeinen Prinzip anzusehen.
Im Mittelpunkt der „Einleitung der Metaphysik der Sitten überhaupt“, die der „Einleitung in die Rechtslehre“ – als Pendant zur „Einleitung in die Tugendlehre“ – vorausgeschickt wird, steht die Unterscheidung zwischen Recht und Moral. Dementsprechend definiert die „Einleitung in die Rechtslehre“ den Rechtsbegriff und die damit verbundene Zwangsbefugnis weitgehend unabhängig von der Moral und scheint sich damit vom Naturrecht zu verabschieden, was Kants Rechtslehre für die heutige Rechtsphilosophie – insbesondere für die Vertreter des überpositiven Rechts – attraktiv macht.
Diese Einleitungen sowie die einzelnen Teile der Rechtslehre sind aber weiterhin unter den Kant-Interpreten sowie unter den Rechtsphilosophen im Allgemeinen Gegenstand lebhafter Kontroversen, die oft auf in Kants Rechtsbestimmungen enthaltene Spannungsverhältnisse bzw. scheinbare Widersprüchen zurückzuführen sind. Diese scheinbaren Widersprüche – und möglicherweise auch diese Kontroverse – lassen sich lösen, sobald man in den einzelnen Rechtsbestimmungen von Kants Rechtslehre keine bloße Ableitung vom Rechtsbegriff sieht, sondern sie auch auf Forderungen der Kantischen Moral bezieht. Denn das Kantische Moralgesetz bestimmt nicht nur die (innere) Moralität, sondern sie gilt auch für das Recht sowie für die teleologische Perspektive von Kants kosmopolitischer Weltrechtsordnung. Darum wird die Beziehung zwischen Recht und Moral ein bedeutender Leitfaden für unsere Lektüre der wichtigsten Textstellen dieses Werkes sein.
Literaturhinweise und Programm werden den TeilnehmerInen nach Anmeldung unter j.c.merle@mx.uni-saarland.de mitgeteilt. Eine Voranmeldung ist erforderlich. |