Kommentar |
Vor fast 25 Jahren nahm der Kalte Krieg mit dem Zerfall des Sowjetimperiums ein Ende. Seitdem haben Historiker versucht, die Geschichte des Ost-West-Konfliktes neu zu denken - der amerikanische Historiker John Lewis Gaddis hat dafür den Begriff der "New Cold War History" geprägt. Mehr als früher betonen Historiker heutzutage u.a. die kulturellen und räumlichen Dimensionen des Kalten Krieges, und eben diese Aspekte stehen in diesem Seminar im Mittelpunkt. Denn der Ost-Westkonflikt vollzog sich auch in den Köpfen: Die Mobilisierung der Öffentlichkeit in West und Ost ging mit geistig-intellektuellen Abgrenzungen zu dem System und den "anderen" Menschen jenseits des "Eisernen Vorhangs" einher. Auf der einen Seite wurde eine Identität des "freien Westens" erzeugt und auf der anderen Seite eine Gegen-Identität eines "fortschrittlichen, demokratischen Friedenslagers". Interessanterweise wurden dabei die Grenzen und Unterschiede innerhalb der beiden Blöcke relativiert, so z.B. die "Friedensgrenze" zwischen Polen und der DDR oder die kulturellen Unterschiede zwischen Deutschen und Niederländern oder Franzosen. Das Saarland mit seinen politischen Wechselbädern zwischen 1945 und 1957 bietet sich hier natürlich auch als Lehr- und Diskussionsthema an. Diese kulturellen Grenzziehungen und Annäherungen drückten sich auch räumlich aus: Während die Grenzanlagen und Militärstützpunkte an den Blockgrenzen immer mehr ausgebaut wurden (wenn auch manchmal erstaunlich langsam, wie z.B. an der deutsch-deutschen Grenze), wurden sie innerhalb der Blöcke abgebaut, und es wurden immer mehr grenzüberschreitende Kooperationsformen entwickelt. Interessant ist hier auch der Vergleich der architektonischen Gestaltung dieser Grenzen – Studien zur materiellen Seite des Kalten Krieges und zu dessen Musealisierung bieten hierfür eine Grundlage. Zur Relativierung der Grenzziehungen und der erzeugten Feindschaften werden auch die Versuche, die politischen Gegensätze in Europa zu überwinden, von der "neuen Ostpolitik" bis zum Friedens- und Menschenrechtsengagement nichtstaatlicher Gruppen, beleuchtet.
Neben Gaddis’ historiographischem Buch "We Now Know" (1997) ist hier vor allem Melvyn P. Leffler und Odd Arne Westad, "The Cambridge History of the Cold War" (3 Bde, 2010), von Nutzen. Außerdem können u.a. die in letzter Zeit erschienen Publikationen zur "Cultural Cold War" herangezogen werden. Es gibt darüber hinaus noch viele relevante deutschsprachige Publikationen, wie z.B. die des renommierten Experten Wilfried Loth und verschiedene Artikel in den "Vierteljahresheften für Zeitgeschichte" und dem "DeutschlandArchiv". |