Kommentar |
Seit nunmehr gut 25 Jahren sind Fragen der Geschichtspolitik und Erinnerungskultur in Frankreich hochgradig aktuell. Ging es zunächst vor allem um das Vichy-Regime, so gelangte mehr und mehr der Algerienkrieg in den Blickpunkt des Interesses, zuletzt immer stärker die französische Kolonialgeschichte insgesamt. Gerade das letzte Jahrzehnt bildete mit Blick auf Algerien und Frankreich einen Höhepunkt des spannungsreichen Verhältnisses von Histoire - Mémoire - Pouvoir (Geschichte - Gedenken - Politik). Ziel des Seminars ist es, einen Überblick über Frankreichs Kolonial- und Post-Kolonialgeschichte(n) des 20. Jh. zu vermitteln sowie über den staatlichen und gesellschaftlichen Umgang mit Gewaltakten und Verbrechen, die im Kontext des Algerienkrieges und anderer Kolonialkonflikte bzw. -kriege begangen worden sind. Nach einführenden Sitzungen, die das komplexe algerisch-französische Verhältnis seit der Eroberung 1830 und den Algerienkrieg als solchen beleuchten sollen, geht es anschließend schwerpunktmäßig um belastete kolonialhistorische Vergangenheiten nach Kriegsende 1962. Eine der Leitfragen wird die nach den Mechanismen sein, die aus belasteten Vergangenheiten zu bestimmten Zeitpunkten breite öffentliche Debatten entstehen lassen und zu staatlichen (Re-)Aktionen führen, sei es durch Politiker-Reden oder Gesetze, sei es durch Schaffung von Gedenktagen, Gedenkstätten, Museen, etc. |
Literatur |
Nicolas Bancel e.a. (Hg.), Ruptures postcoloniales. Les nouveaux visages de la société française, Paris (La Découverte) 2010; Raphaëlle Branche, La guerre d'Algérie. Une histoire apaisée? Paris (Seuil) 2005; Raphaëlle Branche / Marie-Claude Albert (Hg.), La France en guerre 1954-1962. Expériences métropolitaines de la guerre d'indépendance algérienne, Paris (Éd. Autrement) 2008; Catherine Coquery-Vidrovitch, Enjeux politiques de l'histoire coloniale, Marseille (Agone) 2009; Alain Dewerpe, Charonne, 8 février 1962. Anthropologie historique d’un massacre d’État, Paris (Gallimard) 2006; Dietmar Hüser (Hg., in Zsarb. m. Christine Göttlicher), Frankreichs Empire schlägt zurück. Gesellschaftswandel, Kolonialdebatten und Migrationskulturen im frühen 21. Jahrhundert, Kassel (University Press) 2010; Christiane Kohser-Spohn / Frank Renken (Hg.), Trauma Algerienkrieg. Zur Geschichte und Aufarbeitung eines tabuisierten Konflikts, Frankfurt / New York (Campus) 2006; Johann Michel, Gouverner les mémoires. Les politiques mémorielles en France, Paris (PUF) 2010; Nicolas Offenstadt, L'histoire bling-bling. Le retour du roman national, Paris (Stock) 2009. |