Kommentar |
Die Alpen sind geologisch-geografisch zunächst einmal ein Hochgebirge, das den Norden Europas vom Süden trennt. In historischen Zeiten bildeten die Berge ein nahezu unüberwindbares Hindernis. Viele Alpenregionen galten bis weit in die Neuzeit entsprechend als kulturell und wirtschaftlich rückständig, waren sie doch aufgrund ihrer geographischen Gegebenheiten weitgehend abgeschlossen von modernen industriellen und kulturellen Entwicklungen. Dies sollte sich im Verlauf des 19. Jahrhunderts ändern!
Die Alpen wurden sukzessive zu einem Zentrum des Tourismus in Europa. Damit veränderte sich auch die Wahrnehmung der Berglandschaften. Die lange als bedrohlich und rückständig empfundenen Regionen des Hochgebirges wurden im Gefolge von Industrialisierung und Urbanisierung zu Sehnsuchtsorten von natürlicher Ursprünglichkeit. Mit dieser Entwicklung einher ging der sukzessive Ausbau einer ganzen ‚Alpenindustrie’: Es entstanden Freizeitaktivitäten wie das Bergwandern und das Bergsteigen, das Skifahren u.a., in deren Folge auch Berufe wie der des Bergführers, des Skilehrers etc. Galten die Berge vorher als beengend und bedrohlich, wurden sie nun zum Inbegriff landschaftlicher Schönheit. Damit einher ging eine Popularisierung der alpenländischen Kultur (Jodeln, Alphornblasen, Volksmusik, aber auch die Geschichten von Heidi, die Filme von Luis Trenker usw.). Der erfolgreiche Export des Münchener Oktoberfestes einschließlich Dirndl und Lederhose nicht nur in alpenferne Bundesländer, sondern auch ins Ausland ist die aktuell letzte Auswirkung dieser Popularisierung der bergländischen Kultur.
In diesem Seminar beschäftigen wir uns genau mit diesen Entwicklungsprozessen, ihren sozio-kulturellen Hintergründen und kulturellen Ausprägungen. Wann, wie und warum gelang es den Alpenregionen und damit auch den Bergen, vom ‚Armenhaus Europas’ zum Touristenhighlight zu werden?- Mit welchen Strategien vermarkteten und vermarkten sich die Alpendörfer gestern und heute? Welche Rolle spielten und spielen dabei Elemente wie der Rückbezug auf historische und regionale Traditionen? Welche Rolle spielen sogenannte ‚inventions of tradition’, Erfindungen von Bräuchen und Traditionen, mit denen die Tourismusagenturen in den Alpenregionen seit inzwischen schon Jahrzehnten werben (u.a. Trachten- und Trachtenvereine, Almabtrieb, Volksmusik, Esskultur etc.)? Usw.
Erforderlich für die Teilnahme:
Wissenschaftliche Neugierde auf ‚Alpentechnisches’ und generell das Thema ‚Mensch – Natur – Kultur'
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Bemerkung |
Geplant ist bei entsprechender Nachfrage eine Exkursion in die touristische Großregion Garmisch-Partenkirchen, Mittenwald und Seefeld in Tirol. Hier müssten Sie sowohl einheimische Gastgeber, lokale Tourismusagenturen als auch Touristen nach aktuellen Vermarketingsstrategien, nach den Wünschen der Gäste, der Wahrnehmung der Alpenlandschaften u.ä. befragen sowie die touristischen Inszenierungen der Bergwelt auf der Basis der Angebote der lokalen Touristeninformationen exemplarisch analysieren.
Beginn: 16.04.14 |