Kommentar |
„Heinrich von dem Türlin“ nennt sich selbst der Verfasser einer nach dem Tod Hartmanns von Aue, aber vor Rudolfs von Ems ‚Alexander‘ – also zwischen etwa 1210 und 1230/1250 – verfassten Artusdichtung, eines über 30000 Verse zählenden, phantasievoll ausgeschmückten und ganz eigenständig entwickelten Gaweinromans mit einer kaum zu zählenden Fülle an Aventiuren, allerdings ohne tiefere Krise des Helden und den eben im deutschen Artusroman kaum woanders als bei Hartmann von Aue wirklich gattungsbildenden doppelten Kursus, dafür mit einem von Heinrich selbst entworfenen, an moderne Prosa erinnernden, komplexen Aufbau, eines Romans, der nach einer bereits von Rudolf von Ems offenbar missverstandenen Passage des Epilogs ‚diu Crône‘ aller Aventiuren heißt. Das Werk ist schlecht überliefert: Es gibt nur eine vollständige Papierhandschrift von 1479, eine Pergamenthandschrift vom Beginn des 14. Jahrhunderts, die etwas mehr als das erste Drittel des Romans überliefert und fünf weitere fragmentarische Zeugen. Heinrich von dem Türlin stammte seiner Sprache nach sicher aus dem bairischen Dialektgebiet, eine häufiger vermutete Kärntner Heimat ist trotz der urkundlichen Bezeugung einer Bürgersfamilie von dem Turlin in St. Veit an der Glan seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, der Heinrich vielleicht angehört haben kann – wenn er nicht gar Kanzlist oder Ministerialer des Kärntner Herzogshofs war – nicht gesichert, wenn auch nachweisbare Kenntnisse des Italienischen und Anspielungen auf Friaul dafür sprächen. Anhand ausgewählter Passagen aus seinem Werk, das nach lange Zeit ungünstiger Editionslage in Zeiten wiedererwachten Interesses an diesem Roman nunmehr in einer diesem Zweck entgegenkommenden Leseausgabe vorliegt, soll im Seminar neben der Einübung in das Lesen und Übersetzen mittelhochdeutscher Texte und einer fundamentalen sprachgeschichtlichen Einführung in das Mittelhochdeutsche so auch ein erster Kontakt mit einem ebenso komplexen wie faszinierenden Text, der zu Recht nach lange währendem Unverständnis nunmehr die Aufmerksamkeit der Forschung gefunden hat, ermöglicht werden. |
Literatur |
Textgrundlage: Heinrich von dem Türlin: Diu crône. Kritische mittelhochdeutsche Leseausgabe mit Erläuterungen. Gudrun Felder (Hg.) (de Gruyter Texte), Berlin/New York 2012.
Vorbereitende Lektüre: Cormeau, Christoph: Art. ,Heinrich von dem Türlin‘, in: Kurt Ruh u.a. (Hgg.): Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, 2. Aufl., Bd. 3, Berlin/New York 1981, Spp. 894-899; Weddige, Hilkert: Mittelhochdeutsch. Eine Einführung, München 82010. |
Bemerkung |
Der Besuch eines der beiden Tutorien begleitend zu dieser Veranstaltung wird nachdrücklichst empfohlen:
Entweder mittwochs, 16-18h c.t., Geb. C 5.3, R. 209, Fr. Larissa Thome, vgl.https://www.lsf.uni-saarland.de/qisserver/rds?state=verpublish&status=init&vmfile=no&publishid=79120&moduleCall=webInfo&publishConfFile=webInfo&publishSubDir=veranstaltung,
oder donnerstags, 10-12h c.t., Geb. C 5.2, R. 519, Fr. Kristina Wenzel, vgl.https://www.lsf.uni-saarland.de/qisserver/rds?state=verpublish&status=init&vmfile=no&publishid=79135&moduleCall=webInfo&publishConfFile=webInfo&publishSubDir=veranstaltung.
Beide Tutorien sind freiwillig. Eine Anmeldung über LSF ist nicht erforderlich. |