Kommentar |
Die Frage nach der Darstellung und Funktionalisierung von Träumen in mittelalterlichen Erzähltexten eröffnet vielfältige Perspektiven: Erstens soll in der Vorlesung ein Überblick darüber geboten werden, in welchen literarischen Werken des Mittelalters das Motiv des Traums verwendet wird, und inwiefern es sich von dem Motiv der Vision unterscheiden lässt. Zweitens wird erörtert, welche Sachtexte des Mittelalters einen Einfluss auf die Darstellung solcher Träume gehabt haben könnten: Es gibt auch in der deutschen Sprache eine breite Überlieferung traumdeutender Texte. Drittens ist von Interesse, wo und wie die seit der Antike vertraute Verwendung prophetischer Träume (im narratologischen Sinne: als Formen der Prolepse) bereits in der Literatur des Mittelalters erweitert und ergänzt wird: In manchen Erzähltexten um 1200 zeigt sich ein feines Gespür für die Psyche der Protagonisten, wenn Traum und Wahnsinn miteinander zu verschmelzen scheinen (wie im 'Iwein' Hartmanns von Aue) oder die Sehnsucht nach der unerreichbaren Geliebten erotische Träume auslöst (so im Minnesang z.B. Heinrichs von Morungen und Friedrichs von Hausen). |