Kommentar |
Spätestens seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges gibt es nicht nur kein generell verbindlichen Poetiken mehr, sondern auch immer seltener literarische Strömungen, die für mehr als eine Schreibende / einen Schreibenden verbindlich wären. Das Seminar führt in die Literatur der Gegenwart ein, indem es die Analyse ausgewählter literarischer Projekte unternimmt, die auf inhaltlicher und formaler Ebene zu den auffälligsten und interessantesten der jüngeren deutschen Literatur zählen, die sich voneinander zugleich sehr deutlich unterscheiden. Mit Sibylle Lewitscharoff steht dabei zunächst die Büchnerpreisträgerin des Jahres 2013 im Fokus, deren Texte Sprachvirtuosität mit Sprachwitz, Skurrilität und Intellektualität auf außergewöhnliche Weise vereinen. Die Betrachtung literarischer Texte wird im Seminar durch die Auseinandersetzung auch mit poetologischen Schriften ergänzt, um die literarische Spezifität des Werkes genauer fassen zu können. 2001 arbeiten Kathrin Röggla in New York an einem neuen Buch, als sich die Anschläge vom 11. September ereignen: ihre literarische Reaktion ("really ground zero") wollen wir ebenso behandeln wie den auf Recherchen und Interviews beruhenden Roman über die bizarre Welt der Unternehmensberater ("wir schlafen nicht") sowie jüngste Theaterstücke Rögglas. Katharina Hacker hat mit "Alix, Anton und die Anderen" sowie mit "Die Erdbeeren von Antons Mutter" den Beginn eines äußerst ungewöhnlichen Prosa-Zyklus' vorgelegt, der innerhalb der Gegenwartsliteratur ebenso außergewöhnlich ist wie Michael Kleebergs alternativhistorischer Wenderoman, der sich zu einer raffinierten Reflexion über die Geschichte des 20. Jahrhunderts auswächst, und Christian Krachts ebenso unterhaltendes wie irritierendes Romanwerk über einen fast hundert Jahre andauernden Ersten Weltkrieg oder den auf der Insel Kabakon lebenden Kokovoren und Lichtesser August Engelhardt.
Neben dem Versuch, aus einzelnen literarischen Texten literarische Projekte abzuleiten, wird das Seminar auch eine Einführung in die Begriffe Moderne und Postmoderne unternehmen, die die häufigsten zur Charakterisierung der Gegenwartsliteratur genutzten Epochenbegriffe sind.
Das Seminar bietet den Teilnehmenden zudem die Gelegenheit, drei der behandelten Autoren in Lesungen an der Universität genauer kennen zu lernen: am 8.5. wird Sibylle Lewitscharoff an der Universität lesen (16-18 Uhr), am 27.6. liest Katharina Hacker um 16 Uhr aus ihrem Werk. Zudem übernimmt Kathrin Röggla im Sommersemester die 3. Saarbrücker Poetikdozentur für Dramatik und hält drei Vorträge über ihre Texte (Mo: 2., 16. und 23.6.). Die Wunsch, möglichst viele dieser Veranstaltungen zu besuchen, ist Voraussetzung zur Teilnahme am Kurs. |
Literatur |
Sibylle Lewitscharoff: Blumenberg (2011) // Vom Guten, Wahren und Schönen. Poetikvorlesungen (2012)
Kathrin Röggla: really ground zero (2001) // Wir schlafen nicht (2004) // Besser wäre: keine (2013)
Katharina Hacker: Alix, Anton und die anderen (2009) // Die Erdbeeren von Antons Mutter (2010)
Michael Kleeberg: Ein Garten im Norden (1998). // Michael Kleeberg im Gespräch (2013)
Christian Kracht: Ich werde hier sein im Sonnenschein und im Schatten (2008) // Imperium (2012) |