Im 19. Jahrhundert begann auch von deutscher Seite die aktive Teilhabe an Kolonien: Was sich davor auf einzelne Fälle beschränkt hatte und darauf, dass man auch unabhängig von Besitzungen am westeuropäischen kolonialistischen Diskurs mitwirkte, gewann nun konkrete machtpolitische Realität. Die theoretische Beschäftigung mit der Sklaverei, die bereits im 18. Jahrhundert als Epochenproblem diskutiert wurde, das die Grundfesten des aufklärerischen Selbstverständnisses betrifft, wurde damit umso dringlicher. Dies zeigt sich auch in den literarischen Auseinandersetzungen mit Kolonialismus, die im deutschen Raum seit dem 19. Jahrhundert entstanden. Dabei ist festzustellen, dass neben neuen Akzentuierungen durch die veränderte zeitgeschichtliche Situation bestimmte geschichtliche Konstellationen einen besonderen Platz im kulturellen Gedächtnis behaupteten. Insbesondere Haiti wurde früh ein symbolischer Stellenwert zuerkannt.
Heinrich von Kleists rezeptionsmächtige Erzählung „Die Verlobung in St. Domingo“ (1811) bildet daher für unsere Untersuchungen literarischer Texte zum Kolonialismus den Ausgangspunkt. Desweiteren werden wir folgende Erzähltexte vom 19. Jahrhundert bis heute behandeln: Wilhelm Raabes „Abu Telfan oder Die Heimkehr vom Mondgebirge“ (1867), Anna Seghers „Die Hochzeit von Haiti“ (1949), Uwe Timms „Morenga“ (1978) und Christian Krachts „Imperium“ (2012). Das Thema erfordert die Bereitschaft, sich intensiv mit postkolonialen Theorieansätzen zu befassen. Im Seminar werden wir Texte von Edward Said, Homi K. Bhabha und Gayatri Chakravorty Spivak lesen.
Für die nicht oder nur schwer im Buchhandel erhältlichen Texte stehen Vorlagen zur Verfügung, zu den Theorietexten wird ein Reader bereitgestellt.
Alle den Modulvorgaben entsprechende Prüfungsformen werden ermöglicht. |