Kommentar |
Soziale Bewegungen, Bürgerinitiativen und Alternativmilieu gehören zu den Formen politischer Partizipation, die direkt-demokratisch orientiert sind, meist wenig institutionalisiert und häufig unkonventionelle Ausdrucks- und Kommunikationsformen wählen. Ihr Ziel ist es, politische Entscheidungen zu beeinflussen bzw. sozialen Wandel herbeizuführen, zu verhindern oder rückgängig zu machen.
„Neue soziale Bewegungen“ entstanden in den meisten westlichen Demokratien als direkte Folge von 1968 und setzten sich gleichzeitig davon ab. Zunächst wurden sie als Bedrohung der bestehenden politischen Ordnung wahrgenommen, mittlerweile sind sie weitgehend akzeptiert. Seit den 1970er Jahren praktizierten immer mehr Menschen diese Formen direkt-demokratischer und unkonventioneller politischer Teilhabe, während konventionelle Formen wie Wahlbeteiligung, Parteiidentifikation und Parteimitgliedschaft deutlich zurückgegangen sind.
In der Übung wollen wir uns erstens auf einer theoretischen Ebene mit verschiedenen Formen unkonventioneller politischer Partizipation auseinandersetzen. Was genau sind soziale Bewegungen, wie lassen sich neue von alten sozialen Bewegungen unterscheiden, was macht Bürgerinitiativen aus und was das „Alternativmilieu“? Zweitens wollen wir anhand von Beispielen den Zusammenhang von sozialen Bewegungen und gesellschaftlichen/politischen Wandeln vertiefen. Mögliche Themen sind K-Gruppen ebenso wie Feministische Bewegung, Umweltbewegung, Friedensbewegung, Hausbesetzer und Autonome. Wer waren ihre Träger, was die Motive des Engagements, welche Ziele verfolgten sie? Welche Politikvorstellungen kamen dabei zum Ausdruck, welche Formen der Kommunikation wurden gewählt oder entstanden neu? Welche Rolle spielten dabei Stil und Ästhetik? Welche Schnittpunkte gab es zu Jugendkulturen einerseits und Kunst andererseits? Und wie wirkte sich das bürgerschaftliche Engagement auf die Politik aus? Kritisch ist in letzter Zeit die Frage gestellt worden, ob neue Erscheinungsformen des Rechtsextremismus auch als soziale Bewegungen verstanden können.
Diskutiert werden sollen vor diesem Hintergrund die Potenziale und Grenzen von Sozialen Bewegungen, Bürgerinitiativen und Alternativmilieu für die politische Einflussnahme. Sind „neue soziale Bewegungen“ als alltägliche politische Instrumente zu betrachten oder handelt es sich um ein Privileg ressourcenstarker Gruppen? |
Literatur |
Brand, Karl-Werner (Hg.): Neue Soziale Bewegungen in Westeuropa und den USA, Campus Verlag. Frankfurt/New York 1985.
Raschke, Joachim: Soziale Bewegungen. ein historisch-systematischer Grundriss. Frankfurt M /NY 1987.
Reichardt, Sven / Detlef Siegfried (Hrsg.): Das alternative Milieu : antibürgerlicher Lebensstil und linke Politik in der Bundesrepublik Deutschland und Europa 1968 -1983 Göttingen 2010..
Roth, Roland/ Dieter Rucht (Hrsg.): Die sozialen Bewegungen in Deutschland seit 1945. Ein Handbuch, Campus Verlag. Frankfurt/Main 2008.
Engels, Jens Ivo: "Politischer Verhaltensstil": Vorschläge für ein Instrumentarium zur Beschreibung politischen Verhaltens am Beispiel des Natur- und Umweltschutzes.in: Brüggemeier, F.J. (Hrsg.): Natur- und Umweltschutz nach 1945 : Konzepte, Konflikte, Kompetenzen, Frankfurt / NY 2005, S. 184-202. |