Kommentar |
Das bereits im Humanismus Kontur annehmende Bewusstsein des Menschen seiner Selbst, das in der Reformation mit dem Konzept der subjektiven Frömmigkeit des einzelnen auf den Bereich der Religion übertragen worden ist, hat die Entwicklung einer eigenständigen geistlichen Dichtung in Deutschland wesentlich geprägt. Die protestantische Liederdichtung und geistliche Leselyrik treten in der Folge neben die literaturgeschichtlich ältere Tradition der religiösen Dichtung. Die Selbstinteressiertheit und Subjektivität aber, die in diesen Werken bereits früh aufscheint, verstetigt sich und führt zu der Entfaltung und Pflege einer individuellen Religiosität sowie zu der Ausbildung einer lehrhaften geistlichen Gedankenlyrik, die den subjektiven Ausdruck und die individuelle Gestaltung der Frömmigkeit wertschätzt.
Paul Gerhardt (1607 bis 1676) ist nicht nur, neben dem Reformator Martin Luther, der bedeutendste Dichter von Kirchenliedern im deutschen Sprachraum, in seinen Werken zeigt sich eine Selbstständigkeit und Natürlichkeit des Denkens und Empfindens, die über den Bereich des religiösen Liedes hinaus aus auch die lyrische Dichtung beeinflusst hat. Vor diesem Hintergrund erarbeitet das Hauptseminar das Leben und das Werk des evangelisch-lutherischen Theologen und Dichters im Kontext seiner Epoche. |
Literatur |
Die Dichtungen und Schriften Paul Gerhardts, die Gegenstand der Seminardiskussion sein werden, sind bereits in der Vorlesungsfreien Zeit zu lesen. Die Seminarlektüre ist sowohl im Buchhandel als auch auf dem antiquarischen Markt in unterschiedlichen Auflagen greifbar:
Paul Gerhardt: Dichtungen und Schriften. Hrsg. und textkritisch durchgesehen von Eberhard von Cranach-Sichart. München 1957. [u. ö.]
Über den literarhistorischen Kontext können Sie sich in Vorbereitung des Seminars in folgendem Standardwerk informieren:
Volker Meid: Die deutsche Literatur des Barock. Vom Späthumanismus zur Frühaufklärung 1570–1740. München 2009. [Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zur Gegenwart. Begründet von Helmut de Boor und Richard Newald. Bd. V.] |