Kommentar |
Gestaltpsychologie ist das Thema der zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts. Einige Vertreter dieser Forschungsrichtung (Max Wertheimer, Kurt Koffka) entstammen der 'akustischen' Schule Carl Stumpfs – jenes Psychologen, bei dem Robert Musil promovierte. Es ist deshalb kaum überraschend, dass Wahrnehmung von 'Gestalten' beim Hören und beim Sehen (insbesondere Bewegung und Farben) nunmehr 'ungefiltert' den fünf Sinnen zugeordnet wird. Selbst der Begriff Kognition spielt im experimentellen Alltag keine Rolle, geschweige denn Konzepte wie kategorielle Verstandeskräfte oder phänomenologische Abstrahierung (trotz Husserls Würzburger Zeit am Institut für experimentelle Psychologie). Es war der experimentelle Modus der Gestaltpsychologen, der Autoren wie Rilke, Kraus, Canetti und Musil darin bestärkte, Wahrnehmung konzeptuell und ästhetisch neu zu fassen – weit über die Aisthesis des achtzehnten und die Physiologie des neunzehnten Jahrhunderts hinausgehend. |