Kommentar |
„Was ist die Bedeutung eines Wortes?“ Mit dieser Frage eröffnet Wittgenstein ein Diktat, das er -- statt einer Vorlesung 1933/34 -- an seine Studenten ausgibt, und das später, wegen des blauen Einbands der wenigen zu Wittgensteins Lebzeiten zirkulierenden Exemplare, als Blaues Buch veröffentlicht wird. Es ist bei weitem nicht die einzige genuin philosophische Frage, die diskutiert wird, andere sind etwa „Kann eine Maschine denken? //Zahnschmerzen haben?“ oder „Wie kann man an etwas denken, was nicht der Fall ist?'“. Wittgenstein will jedenfalls keineswegs lehrbuchartige Antworten, Philosopheme, auf diese Fragen produzieren. Stattdessen versucht er, eine seiner Ansicht nach ganz neue Methode in Anschlag zu bringen, um mit philosophischen Schwierigkeiten fertig zu werden, und es ist vor allem diese Methode, die er seinen Schülern nahezubringen versucht: Ein wesentlicher erster Schritt besteht dabei darin, die gestellten Fragen gerade nicht direkt anzugehen -- als stünde eine Weise ihrer Beantwortung (und mithin ihr Sinn) bereits fest und wäre nur unbekannt. Vielmehr versucht Wittgenstein, die Fragen so zu transformieren, dass sie der Bearbeitung zugänglich werden, dass der „geistige Krampf“ sich löst. Auf diese Weise versucht Wittgenstein, die Quelle der philosophischen Beunruhigung ausfindig zu machen, die seiner Ansicht nach oft in Verwirrung besteht, Verwirrung über die sprachliche Ausdrucksform. Diese Verwirrung sollte dann durch genaues Hinsehen auf unser Sprechen beseitigt werden können, durch geschickt gewählte Vergleiche und den Nachweis der Buntheit und Vielschichtigkeit sprachlicher Techniken.
Die vergleichsweise explizite Darstellung der Methode (samt ihrer Erprobung an ganz verschiedenen philosophischen Themen etwa aus der Sprachphilosophie, der Philosophie des Geistes oder der Mathematik) ist ein großer Vorzug des Blauen Buchs, aber es hat auch in anderer Hinsicht eine Sonderstellung: Es ist als zusammenhängender Prosatext geschrieben und somit weniger aphoristisch als etwa die Philosophischen Untersuchungen, insofern zugänglicher, wenn auch vorläufiger und weniger ausgefeilt. Insgesamt ist der Text frisch und anregend geschrieben (auch in der deutschen Übersetzung, die wir primär als Textgrundlage verwenden werden), und viele seiner Themen von ungebrochener Aktualität (beispielsweise in Bezug auf die Fortschritte der Neurowissenschaften und deren philosophische Relevanz). Insofern soll das Seminar die Möglichkeit bieten, einen Einstieg in Wittgensteins Philosophieren zu bekommen, seine Methode kennenzulernen und selbst an verschiedenen Themen auszuprobieren. Natürlich wird es aber auch darum gehen, ob dies alles überzeugen kann, ob Wittgensteins philosophische Methode so befriedigend ist, wie er hofft!
Literatur
Wittgenstein, Ludwig: Das Blaue Buch, in: Werkausgabe, Bd. 5, Suhrkamp 1984, (19977). Der englische Text ist online verfügbar, etwa unter: http://www.geocities.jp/mickindex/wittgenstein/witt_blue_en.html
|