Auch wenn die Entwicklung der klassischen Logik eine Erfolgsgeschichte darstellt, existieren eine Reihe von Gründen und Motiven, die es vernünftig erscheinen lassen, bei der Anwendung logischer Methoden innerhalb und außerhalb der Philosophie auf Logiken zurückzugreifen, die von der klassischen Logik in der einen oder anderen Hinsicht abweichen. Diese sogenannten nicht-klassischen Logiken lassen sich grob in zwei Klassen einteilen.
In die eine Klasse gehören Logiken, die sich als Erweiterungen der klassischen Logik verstehen lassen. Sie basieren in der Regel auf Sprachen, die aus der Sprache der klassischen Logik durch Hinzunahme neuer Kategorien von Ausdrücken entstehen. Solche Ausdrücke dienen dazu, wichtige philosophische Begriffe und die ihrem Gebrauch zugrundeliegenden Prinzipien ausdrücken und charakterisieren zu können. Beispiele bilden die verschiedenen intensionalen Systeme, wie sie im Rahmen der temporalen, der modalen, der epistemischen und der deontischen Logik entwickelt worden sind.
Das wesentliche Charakteristikum dieser philosophischen Logiken besteht darin, dass die Sprachen, auf denen sie basieren, einen oder mehrere Satzoperatoren aufweisen, die sich im Unterschied zu den klassischen Junktoren nicht wahrheitsfunktional verhalten. Eingeschränkt auf die klassische Teilsprache bleiben jedoch alle syntaktischen und semantischen Prinzipien der klassischen Logik in Kraft; und auch für die erweiterte Sprache werden die meisten der grundlegenden Prinzipien akzeptiert (z.B. das Bivalenzprinzip).
In die zweite Klasse der nicht-extensionalen Logiken gehören solche, die von bestimmten grundlegenden Prinzipien der klassischen Logik von vornherein abweichen. Beispiele hierfür bilden die intuitionistische Logik sowie verschiedene Systeme der partiellen Logik. Deren Sprachen enthalten beispielsweise einen Satzoperator NEG, der zwar als Negation aufgefasst werden soll, jedoch im Hinblick auf seine Semantik entscheidend von der der klassischen Negation abweicht. So gilt für ihn nicht, dass ein Satz der Gestalt „A oder NEG A“ gültig ist.
In dieser Vorlesung sollen nicht-klassische Logiken aus beiden Klassen präsentiert und diskutiert werden. Obwohl ich mir noch nicht vollständig darüber im Klaren bin, welche Logiken dabei konkret zur Sprache kommen sollen, liegt eine erste Auswahl bereits fest: Mit Bezug auf die ersten Klasse soll auf jeden Fall etwas zur Modallogik und zur Zeitlogik gesagt werden, während aus der zweiten Klasse die intuitionische, die partielle und die nicht-monotone Logik Berücksichtigung finden sollen.
Die Darstellung der einzelnen Logiken wird dabei jeweils aus zwei Teilen bestehen. Im ersten Teil soll versucht werden, diejenigen Aspekte und Prinzipien herauszuarbeiten, bezüglich derer die jeweilige Logik von der klassischen Logik abweicht, und diese Abweichungen philosophisch zu motivieren. In einem zweiten Teil soll dann versucht werden, eine kurze (formale) Einführung in die Logik zu liefern.
Selbstverständlich sind Kenntnisse der klassischen Logik für das Verständnis der Vorlesung von großem Nutzen. Dennoch bilden sie keine notwendige Voraussetzung für die Teilnahme an der Veranstaltung. Alles, was wir aus der klassischen Logik benötigen, werde ich im Rahmen der Vorlesung einführen, wenn auch in recht knapper Form. |