Kommentar |
Kein spätantiker Kirchenvater konnte es an Gelehrsamkeit mit Hieronymus (347-420 n. Chr.) aufnehmen. Er schuf den für Jahrhunderte gültigen Bibeltext, er lernte Griechisch und Hebräisch, um alle Überlieferungen zum christlichen Glauben auswerten zu können, er entwickelte eine christliche Archäologie und Sachkunde und er übertrug die griechische Chronik Eusebs ins Lateinische. Auch konnte Hieronymus seine asketischen Ziele erfolgreich in der römischen Gesellschaft verbreiten; vor allem die Frauen der Senatsaristokratie ließen sich von ihm auf den neuen, für viele Zeitgenossen skandalösen Weg der Weltentsagung führen, begleiteten ihn sogar in das Heilige Land, um in Bethlehem eine klösterliche Gemeinschaft zu begründen. Den eigenen Versuch, als Eremit in der syrischen Wüste zu leben, hatte Hieronymus viele Jahre zuvor abbrechen müssen; die Einsamkeit war nicht das Rechte für den nach Erfolg und Anerkennung strebenden Mann, der mit seinem hohen Bildungsanspruch in den heidnischen Traditionen verwurzelt bliebt, wenn er auch in einem berühmten Traum Gott gelobt haben wollte, den geliebten Cicero zukünftig nicht mehr zu lesen. Als Gelehrter, der den griechischen Osten für die lateinische Theologie eröffnete, und als Lehrer christlich-asketischer Moral gehört Hieronymus zu den wirkungsmächtigsten Stimmen des spätantiken Christentums, und an seiner Person und Biographie kann der Versuch unternommen werden, den Wandlungsprozess der spätantiken Kultur und Gesellschaft nachzuzeichnen. |
Literatur |
Einführende Literatur: Hans von Campenhausen, Lateinische Kirchenväter, 1960, 6. Aufl. Stuttgart 1986; S. Rebenich, Jerome, London 2002; A. Grabner-Haider, Kulturgeschichte des frühen Christentums. Von 100 bis 500 n. Chr., Göttingen 2008. J. Lauster, Die Verzauberung der Welt. Eine Kulturgeschichte des Christentums, München 2014. |