Kommentar |
Ausgehend von hermeneutischen und phänomenologischen Überlegungen entwickelt die elementare / relationale Theologie ein Gottdenken, das an Alltagserfahrungen anknüpft und für die Lebenspraxis direkt relevant sein will. Das, was das Wort Gott meint, berührt in unmittelbarer Weise die elementare mitmenschliche Wirklichkeit. (Letztgültige) Wahrheit erfordert Begegnung (Badiou), Offenbarung kommt von außen.
Elementare / relationale Theologie entwirft sich als elementare Kommunikationstheorie und Medientheorie, ebenso als postmoderne Theologie. In drei Hauptlinien entwirft sie ein trinitarisches Gottdenken, das Gott ohne Grund, ohne Sein und ohne Symbol denkt, d.h. Christentum als Praxis der Dankbarkeit / des Vertrauens, als kenotische Dynamik der Öffnung und als Irritation des Akts / Wahrheitsereignisses versteht. Gott darf bereits nach Heidegger / Bultmann nicht als Begründungsschlussstein des Ursache-Wirkungsdenkens missbraucht werden. Gott ist für Lévinas jenseits des Seins zu denken, anders als Sein; Seinskategorien depravieren Gott, dessen immer sich entziehende Spur allein zu vernehmen ist: An Gott glauben heißt nicht an das Sein glauben. Schließlich ist Gott für Žižek nicht als Garant der symbolischen Ordnung zu missbrauchen. Gott ist nicht als der große Andere zu verstehen, der das Funktionieren unseres Sozialgefüges sicherstellt. Elementare / relationale Theologie stellt sich den Herausforderungen der (Post-)Säkularisierung (Abstraktion, Implizierung, Universalisierung, Dekontextualisierung) und weist ihre Anschlussfähigkeit zum Konstruktivismus, zur Neuen Phänomenologie, zur Psychoanalyse und zum Diskurs der Postmoderne aus. Es erschließt sich also ein Paradigma des Denkens des Zwischen, des elementaren Mit, das gerade auch in Filmen nach Veranschaulichungen theoretischer Annahmen sucht. Neben den Kerntheorien von Bultmann / Hasenhüttl, Lévinas und Žižek werden auch die Ansätze von Latour, Nancy, Agamben, H. Schmitz, Sloterdijk, Marion, Badiou diskutiert.
Der Begriff "Minusglaube" steht also für einen impliziten, dekontextualisierten und zugleich universalisierten Glauben, der im modernen Klima der Reduktion oder in der postmodernen Konfrontation mit Monströs-Abgründigem relevant sein kann. |
Literatur |
- Bultmann, R., Glauben und Verstehen I-IV, Tübingen (6. Aufl.) 1993 (GV)
- Bultmann, R., Welchen Sinn hat es, von Gott zu reden?, in: GV I, S. 26-37
- Bultmann, R., Theologische Enzyklopädie. Hg. v. E. Jüngel u. K. Müller, Tübingen 1984
- Heidegger, M., Phänomenologie und Theologie, Frankfurt a.M. 1950
- Heidegger, M., Der Satz vom Grund, Tübingen (1957) 1971
- Heidegger, M., Sein und Zeit, Tübingen (1927) (16. Aufl.) 1986
- Heidegger, M., Vom Ereignis (Beiträge zur Philosophie. Gesamtausgabe: Bd. 65), Frankfurt a.M. 1978
- Heidegger, M., Vom Wesen des Grundes, Frankfurt a.M. (1929) (6. Aufl.) 1973
- Lévinas, E., Totalität und Unendlichkeit. Versuche über Exteriorität, Freiburg/München 32002 (den Haag 1961)
- Lévinas, E., Jenseits des Seins und anders als Sein geschieht, Freiburg 21998 (Den Haag 1974)
- Lévinas, E., Wenn Gott ins Denken einfällt. Diskurse über die Betroffenheit von Transzendenz, Freiburg/München 31999 (Paris 1982)
- Taylor, C., Ein säkulares Zeitalter, Frankfurt a.M. 2009
- Žižek, S., Gewalt. Sechs abseitige Reflexionen, Hamburg 2011
- Žižek, S., Die Puppe und der Zwerg. Christentum zwischen Perversion und Subversion, Frankfurt a.M. 2004
- Žižek, S., Die Revolution steht bevor. Dreizehn Versuche über Lenin, Frankfurt a.M. 2002
- Žižek, S., Die Tücke des Subjekts, Frankfurt a.M. 2001
- Žižek, S., Weniger als Nichts, Berlin 2014
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