Kommentar |
Migration und Exil sind dramatische Begleiterscheinungen von Krieg, Gewalt und Vertreibung – früher wie heute. Sie provozieren Ängste, Abwehr und Hass, generieren aber gleichzeitig Chancen für etwas Neues. Das gilt auch für die erzwungene Migration von deutschen Exilanten, die in den dreißiger Jahren nach Frankreich flohen oder weiteremigrierten. In diesem Seminar soll der Prozess des Kulturtransfers der zwangläufig im Zuge dieser Migration stattfand, betrachtet werden. Dazu sollen zunächst einige theoretische Grundlagen zum Kulturtransfer ganz allgemein gelegt werden. Dies geschieht ausgehend von zentralen Texten von Lüsebrink, Espagne, und Hans-Manfred Bock. Zum besseren Verständnis soll dann der historische Kontext des Exils der deutschen Künstler, die „wider Willen im Paradies“ waren, unter die Lupe genommen werden. Wir werden uns einerseits das Exil als historische Situation anschauen und andererseits Exilanten als „Übersetzer“ zwischen den Kulturen betrachten. Dabei gilt es zu bedenken, dass deren „Übersetzungen“ immer auch auf die vorhandenen Selbst- und Fremdbilder stoßen und sich an ihnen reiben. Im zweiten Teil des Seminars wird es dann um konkrete Einzelbeispiele von exemplarischen Mittlern gehen: angefangen von dem deutschen Pädagogen Ernest Jouy, der aktiv am französischen Widerstand teilnahm und nach dem Krieg in der Drôme eine deutsch-französische Begegnungsstätte gründete, über den Journalisten, Schriftsteller und Künstler Friedrich Hagen, der moderne französische Autoren ins Deutsche übersetzte und sie durch seine journalistische Tätigkeit dem deutschen Publikum vermittelte, über den Politologen Alfred Grosser und den Widerstandskämpfer und Diplomaten Stephane Hessel – um nur einige Beispiele zu nennen. Die Texte, die im Seminar besprochen werden sind alle in einem Reader zusammengestellt und auf Dropbox geladen. Voraussetzung für den Scheinerwerb ist die aktive Teilnahme und die Bereitschaft die angegebenen Texte für die Sitzungen vorzubereiten. Darüber hinaus muss ein Referat zu einem/r Mittler/in ihrer Wahl gehalten werden. |
Lerninhalte |
Vorläufiges Seminarprogramm
20.10. Einführung und Vorstellung des Seminarprogramms Text: Dorothee Röseberg: „Interkulturelle Transfer-, Rezeptions- und Interaktionsprozesse“.
27.10. Text 1: Hans-Jürgen Lüsebrink: „Kulturtransfer“.
03.11. Text 2: Michel Espagne: « Les transfers culturels franco-allemands ».
10.11. Text 3: Hans-Manfred Bock: „Transaktion, Transfer, Netzwerkbildung“.
17.11. Text 4: Mechthild Gilzmer: Deutsche im französischen Exil 1933 – 1944. Text 5: Dorothee Bohnekamp: « L’exil des Juifs allemands ».
Text 6 a: Mechthild Gilzmer: "Wider Willen im Paradies": Deutschsprachige Schriftsteller und Künstler im Exil in Südfrankreich.
Text 6 b: Michaela Enderle-Ristori: „L’exil, cet espace-temps de la traduction ».
24.11. Text 7: Mechthild Gilzmer: Deutschlandberichterstattung und Deutschlandbild in der Dépêche de Toulouse von 1933–1940. In: Interkulturelle Medienanalyse
01.12. Text 8: Topographien der Menschlichkeit in Dieulefit. Artikel vom 15. Februar 2015 in Die ZEIT
08.12. Einzelbeispiele für längerfristigen deutsch-französischen Kulturtransfer, Akteure und Institutionen I: Ernest Jouy und das FIEF (Text 9)
15.12. Einzelbeispiele für längerfristigen deutsch-französischen Kulturtransfer, Akteure und Institutionen II: Friedrich Hagen
05.01. Exilanten als Mittlerfiguren: Alfred Grosser, Stephane Hessel
12.01. Internierungslager als Orte des Kulturtransfers
19.01. Frankreichmittler in der DDR: Die Familie Leo
26.01. Wechselbeziehungen: Kulturtransfer am Beispiel von Max Lingner
02.02. Text 10: Keller, Thomas (Hg). De l’exil à la commémoration: les lieux de mémoire franco-allemands dans le midi de la France. Vom Exil zum Gedenken : deutsch-französische Gedächtnisorte im Süden Frankreichs.
09.02. Bilanz |