Kommentar |
Die Taten eines Helden in Mythen ereignen sich zumeist auf Heldenfahrten oder Heldenreisen („the Hero’s Journey“), manchmal auch quests genannt, die gemäß Joseph Campbells Studie The Hero with a Thousand Faces (1954) von formalistische Sequenzen und Figuren gekennzeichnet sind. Diese archetypische Grundstruktur wird als Monomythos bezeichnet – ein Ausdruck, den Campbell James Joyces Finnegans Wake entliehen hat. Campbell betont die strukturellen Ähnlichkeiten und erhebt den Monomythos somit zu einer anthropologischen Konstante; ein Ansatz der im Kontext einer Debatte über das menschliche Grundbedürfnis zu Erzählen – „story-telling animals“ – sicherlich noch einmal an Bedeutung gewonnen hat und seit den 1970er Jahren vermehrt auch auf Romane und Filme angewendet wird. Campbells Ansatz ist allerdings aus einer Vielzahl an Gründen nicht unproblematisch. Zum einen versuchen sich neuere Ansätze der Comparative Mythology von Konzepten zu lösen, die von generalisierten und universal gültigen Kategorien ausgehen, und zum anderen verweisen Literaturwissenschaftler mit Forschungsschwerpunkten abseits des eurozentristischen Kanons – wie z.B. Donald J. Cosentino – darauf, es sei ebenso bedeutsam, neben den Gemeinsamkeiten auch die Unterschiede hervorzuheben, da man sonst zu einem Einheitsbrei ohne lokale Bezüge kommt; Cosentino spricht dezidiert von einer „Campbell soup of myths that loses all local flavor.“ Neben dieser berechtigten Kritik erscheint aber ebenso entscheidend, dass die Applizierbarkeit dieses Models auf Romane und Filme im Gegensatz zu antiken Epen beschränkt ist, was sich vor allem damit begründen lässt, dass diese Werke nicht mehr „intertextuell uninformiert“ sind: Sie beziehen sich in Form von Einzeltext- oder Systemreferenzen konkret auf ihre Vorgänger, schreiben den Monomythos sowohl fort als auch um – sie bauen also konkret aufeinander auf. Das Seminar soll an diese Gedanken anknüpfen und anhand ausgesuchter Beispiele untersuchen, wie sich die Heldenreise in Mythologien verschiedener Kulturkreise ausgeprägt hat, gleichzeitig aber die Limitierungen des Modells in Romanen und Filmen vom 19. bis ins 21. Jahrhunderts aufzeigen. Im Zuge dessen bietet das Seminar die Möglichkeit, Kompetenzen im Bereich der Intertextualtiätstheorie zu vertiefen und auszubauen, was zusätzlich durch Texte zur Intermedialitätsforschung ergänzt wird.
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