Der Titel trägt nicht umsonst ein Fragezeichen, denn im 18. Jahrhundert interessiert sich niemand für novellistisches Erzählen. So scheint es zumindest, wenn man den Handbüchern zur Novelle bis ins Letzte vertraut. Die deutschsprachige Literatur erfindet bzw. entdeckt die Gattung der Novelle erst um 1800 und erfährt sofort einen großen Aufschwung. Das ist der Eindruck, den die Handbücher vermitteln. Stimmt das?
Wir wollen uns im Seminar hingegen auf die ‚Vorgeschichte’ dieses Phänomens konzentrieren und das novellistische Erzählen im 18. Jahrhundert beleuchten. Denn auch vor 1800 erzählt man sich spannende und unerhörte Neuigkeiten, eben novellistisch. Diese Vorgeschichte ist jedoch keine rein deutsche, sondern eine europäische. Deshalb wagen wir auch einen Blick über den deutschen Sprachraum hinaus, auf vor allem französische Texte. Dabei gibt es Spannendes zu entdecken. Das Erzählen konzentriert sich dabei nämlich einerseits auf konkrete historische, juristische und alltägliche Fälle und stellt so Neuigkeiten dar, andererseits befragt es sich selbst auf das, was es überhaupt leisten kann.
Wir gehen im Seminar in drei großen Schritten vor. Zuerst widmen wir uns einer inhaltlichen und systematischen Bestimmung der Gattung, danach einer literaturgeschichtlichen Herleitung aus der europäischen Erzähltradition um dann zuletzt auf eine besonders produktive Konstellation hinzusteuern: die Diderot-Schiller-Goethe Konstellation.
Bitte besorgen Sie sich Goethes Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten in der Reclam-Ausgabe und lesen Sie den Text bis zum Seminarbeginn. |