Kommentar |
Die literarische Strömung des Sturm und Drang hat innerhalb der europäischen Literaturgeschichte eine Sonderstellung inne, weil es sie nur im deutschsprachigen Raum und nur für etwa zwei Jahrzehnte (ca. 1765-1785) gab. Getragen wurde sie nur von wenigen jungen Autoren (Goethe, Lenz, der junge Schiller, Klinger usw.), die bewusst gegen die Dogmatismen der Spätaufklärung opponierten. Anders als etwa die Berliner oder die Züricher Aufklärung und später die Weimarer Klassik besitzt der Sturm und Drang kein genau zu lokalisierendes Zentrum, seine Entwicklung wird aber durch das Zusammentreffen ähnlich gesinnter Autoren in Straßburg, Frankfurt am Main und Göttingen erheblich beeinflusst. Post festum gilt etwa die Begegnung zwischen Herder und Goethe in Straßburg (1770) als ein Initiationsmoment des Sturm und Drang, 1771 gehen dann weitere wichtige Impulse von den Gesprächen zwischen Goethe und dem jungen Jacob Michael Reinhold Lenz aus. Statt eines ,Rezepts‘ für die ,Zubereitung‘ gelungener Literatur, wie sie Gottsched in seiner Critischen Dichtkunst (1730) entwickelt hat, lehnen die Stürmer und Dränger Regelpoetiken ab. Dennoch gibt es mit dem Genie, der Volkspoesie und der Natur zentrale Konzepte, um die ihr Schaffen und ihre Diskussionen kreisen. Im Seminar werden wir uns zunächst mit diesen Konzepten beschäftigen, wenn wir Herders und Goethes Shakespeare-Aufsätze miteinander vergleichen, wenn wir die Begeisterung für Volkstümliches hinterfragen – die sich nicht zuletzt in der Wahl der favorisierten Gattungen äußert – und wenn wir die Themenkomplexe von Natur und natürlichem Verhalten in den konkreten literarischen Inszenierungen untersuchen. Zudem wird es eines unserer Anliegen sein, die Spezifika des Sturm und Drang in den größeren Kontext der europäischen Aufklärung einzubetten und ihn nicht als eine Gegen-, sondern eine Komplementärbewegung zur Aufklärung zu betrachten. Zum Seminarkanon gehören neben Gedichten (von Goethe, Boie und Voß) auch Balladen (von Bürger und Hölty) und Dramen (von Schiller, Goethe, Klinger und Wagner).
Es wird wöchentlich zu erledigende Arbeitsaufträge geben, die auch kontrolliert werden. |
Literatur |
Bitte besorgen Sie die folgenden Dramen in der Reclam-Ausgabe:
Johann Wolfgang von Goethe: Götz von Berlichingen, Jacob Michael Reinhold Lenz: Der Hofmeister, Friedrich Schiller: Die Räuber, Heinrich Leopold Wagner: Die Kindermörderin.
Gedichte und Balladen sowie poetische Texte werden als Ausdrucke und Scans über Dropbox bereitgestellt.
Einführende Sekundärliteratur:
Walter Hinck (Hg.): Sturm und Drang. Ein literaturwissenschaftliches Studienbuch. Kronberg 1978.
Georg Bertram: Philosophie des Sturm und Drang. Eine Konstitution der Moderne. München 2000.
Christoph Jürgensen, Ingo Irsigler: Sturm und Drang. Göttingen 2010.
Ulrich Karthaus: Sturm und Drang. Epoche – Werke – Wirkung. München 2007.
Matthias Luserke: Sturm und Drang. Autoren – Texte – Themen. Stuttgart 1997. |