Kommentar |
Haar aus Gold, Wangen wie Rosen, scharlachrote Lippen: eine Frau, die heißkalte Wallungen hervorruft. Leider ist sie ein eiskalter Engel und lässt den Verehrer abblitzen. Was folgt sind Tränen, Seufzer im Wind – und jede Menge Liebesgedichte. – Viele bis in heutige Lovesongs und –stories der Popkultur verbreitete Motive der Liebesdichtung haben ihren Ursprung in Francesco Petrarcas Canzoniere, jener poetischen Verklärung der angebeteten ‚Laura‘, die im europäischen Epochenumbruch vom Mittelalter zur Neuzeit entstanden ist. Als „mächtige Quelle, aus der der Strom der neuzeitlichen Lyrik in Europa hervorging“ (Karlheinz Stierle) begründet Petrarcas Werk Mitte des 14. Jahrhunderts in Italien die wohl erfolgreichste und langlebigste Tradition der abendländischen Poesie: Die ‚Pest des Petrarkismus‘, wie E.R. Curtius lästerte. – Wie kaum eine andere literarische Form hatte sie eine künstlerische ‚Epidemie‘ zu verantworten, an der sich europäische Dichter jahrhundertelang orientiert haben. – Auch in der spanischsprachigen Lyrik findet sich, beginnend mit den siglos de oro bis in die Moderne und Postmoderne hinein, ein dichtes Geflecht von Wiederholungen und Variationen petrarkistischer Themen, Motive und Gestaltungsmittel, welches nicht nur die Konventionen der Dichtung, sondern auch die Konventionen der Liebe nachhaltig geprägt hat. Als ‚Pest‘ kann das kulturgeschichtliche Phänomen dabei vielleicht auch deshalb bezeichnet werden, weil die Erfüllung des sinnlichen Verlangens in dieser wichtigsten Spielart der europäischen Liebeslyrik systematisch verwehrt wird. Petrarcas Canzoniere hat dem frustrierten Begehren sein poetologisches Profil vorgegeben: Es ist die Unerreichbarkeit der angesprochenen Geliebten, welche den Dichter im petrarkistischen Code zum künstlerischen Schaffen antreibt. Die körperliche Abwesenheit der schweigenden Frau macht dabei nicht nur dem liebenden lyrischen Ich zu schaffen, sondern steht auch prägend für das dichterische Geschlechterverhältnis, in dem sich in den folgenden Jahrhunderten die Weiblichkeit nur mühsam die Präsenz einer eigenen Stimme und erotisches Selbstbewusstsein erobern kann. Mit den berühmtesten Sonetten petrarkistischer Prägung in der spanischsprachigen Dichtung (u.a. Fray Luis de Léon, Garcilaso de la Vega, Lope de Vega, Góngora, Cervantes, Quevedo, Sor Juana Inés de la Cruz, Gustavo Adolfo Bécquer, Juana Borrero, Lorca) werden wir im Seminar einen klassischen Dichtungsstrang erschließen. Die gemeinsame Arbeit an den kurzen aber dichten Texten der Gattung Lyrik ist hierbei im Besonderen dazu geeignet, grundlegende Techniken der Literaturwissenschaft zu vertiefen und poetologischen und ästhetischen Fragen nachzugehen. Darüber hinaus tauchen wir in die historischen Kontexte der Gedichte ein und spüren über die Dichtungsgeschichte auch einer Gefühlsgeschichte, einer Beziehungsgeschichte und nicht zuletzt einer Geschichte der modernen Subjektivität ‚archäologisch‘ nach. Das platonische Liebeskonzept, die antike Mythologie, der Minnesang und das höfische Liebeskonzept als Quellen, die den Petrarkismus stark geprägt haben, werden dabei ebenso zur Sprache kommen wie die Sonderfälle des männlichen Geliebten und der weiblichen Dichterin, homoerotische Konstellationen oder die transkulturelle Passage der europäischen künstlerischen Form nach Lateinamerika. Schließlich geht es um die Frage, was mit dem petrarkistischen Dichtungs- und Liebescode in der Moderne passiert, als Forderungen nach Originalität, Innovation und Zeitgemäßheit in der Literatur zur Autorität werden, oder eben heute, wo 50 Shades of Grey der meistverkaufte Liebesroman ist.
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Leistungsnachweis |
ECTS/CP (Verwendete Abkürzungen: PL= Prüfungsleistung, SL= Studienleistung)
Lehramt Spanisch, 2007 (Span-LW1-LAG): 4, SL= Referat, PL= benotete Hausarbeit (ca. 15 Seiten) Lehramt Spanisch, 2010 (LAG S SLK): 4 oder 5 , SL= Referat, PL= benotetes Referat oder benotete Hausarbeit (ca. 15 Seiten)
Bachelor-Hauptfach Romanistik - Spanisch, 2010 (BA S SLK): 5, SL= Referat, PL= benotete Hausarbeit (ca. 15 Seiten) Bachelor-Hauptfach Romanistik - Spanisch, 2010 (BA S LW 2): 4, SL= Referat Bachelor-Nebenfach Romanistik - Spanisch, 2010 (BA S SL): 5, SL= Referat, PL= benotete Hausarbeit (ca. 15 Seiten)
Bachelor-Hauptfach Romanistik, 1. Sprache Spanisch, 2007 (Rom-SLK-BA-HF 1): 5, SL= Referat, PL= benotete Hausarbeit (ca. 15 Seiten) Bachelor-Hauptfach Romanistik, 2. Sprache Spanisch, 2007 (Rom-LW-BA-HF 2): 5, SL= Referat, PL= benotete Hausarbeit (ca. 15 Seiten) Bachelor-Hauptfach Romanistik, 2. Kulturraum Lateinamerika, 2007 (Rom-LW-BA-LAT-Span): 5, SL= Referat, PL= benotete Hausarbeit (ca. 15 Seiten) Bachelor-Nebenfach Romanistik, 1. Sprache Spanisch, 2007 (Rom-LW1-BA-HF 2): 5, SL= Referat, PL= benotete Hausarbeit (ca. 15 Seiten) Bachelor-Nebenfach Romanistik, Mono Spanisch, 2007 (Rom-LW1-BA-NF): 5, SL= Referat, PL= benotete Hausarbeit (ca. 15 Seiten)
Lehramt alt / Magister: Referat, Hausarbeit |