In der Epoche der Romantik trat im deutschsprachigen Raum erstmals eine ganze Generation von Schriftstellerinnen an die Öffentlichkeit. Ihre Texte entstanden unter besonderen Bedingungen: So hatten Frauen auch der höheren Gesellschaftsschichten nur eingeschränkten Zugang zu Bildungsinhalten. Zudem war es oftmals eine Herausforderung, die literarische Arbeit mit der gesellschaftlichen Rolle als Ehefrau und Mutter zu vereinbaren. Auch bei der Veröffentlichung ihrer Texte waren Autorinnen der Romantik auf die Vermittlung von männlichen Freunden und Bekannten angewiesen und publizierten oftmals anonym oder unter männlichen Pseudonymen.
Die Rezeption der romantischen Autorinnen ist kompliziert: Während Zeitgenoss*innen ihren Texten oftmals Dilettantismus unterstellten, hat die Literaturwissenschaft des 20. Jahrhunderts den ebenso problematischen Begriff der „Frauenliteratur“ gefunden, der das literarische Ghetto einer ‚Literatur von Frauen für Frauen‘ aufmacht, in dem es nur um bestimmte, geschlechtsspezifische Themen geht. In diesem Sinne ist auch darauf hinzuweisen, dass sich das Seminar keinesfalls nur an weibliche Studierende richtet, sondern an alle, die sich für die Bedingungen literarischer Produktion im Verhältnis zu gesellschaftlichen Rollenbildern interessieren.
Im Seminar sollen Fragestellungen der literaturwissenschaftlichen Genderforschung durchaus kritisch überprüft und an Texten von Autoren und Autorinnen der Romantik ausprobiert werden. Themenschwerpunkte sind dabei unter anderem: Genderrollen, Konstruktionen von Liebe und Paarbeziehungen, Freundschaft, Sexualität und Begehren, aber auch ‚weibliche‘ Gattungen wie Lyrik und Briefe, sowie der Austausch zwischen Autorinnen.
Behandelt werden (z.T. in Auszügen) die folgenden Gedichte, Romane, Briefe bzw. Briefbücher und Dramen:
- Friedrich Schlegel: Lucinde (1799)
- Dorothea Schlegel: Florentin (1801)
- Sophie Mereau: Amanda und Eduard. Ein Roman in Briefen (1803)
- Karoline von Günderode: Gedichte; Nikator (1805)
- Bettina von Arnim: Die Günderode (1840)
Der Roman Florentin von Dorothea Schlegel sollte in der Reclam-Ausgabe angeschafft werden. Alle anderen Texte werden zu Beginn des Seminars als PDF zur Verfügung gestellt. Die Erarbeitung der Primärtexte wird durch Lektüre und Besprechung von Sekundärliteratur unterstützt.
Neben regelmäßiger Anwesenheit und aktiver Teilnahme ist die Anfertigung eines Thesenpapiers verpflichtend. Das Seminar wird mit einer schriftlichen Hausarbeit abgeschlossen. |