Kommentar |
2014 löste der einhundertste Jahrestag des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs eine breite Erinnerungswelle los, die seitdem nicht nur die Öffentlichkeit und die Politik sondern auch die Zunft der Historiker auf ihren Wogen mitführt. Im diesem Jahr wird zum Beispiel mit Ausstellungen, Büchern und Filmen der Schlacht von Verdun erinnert, der am 21.2.1916 anfing und in dem mehr als 300.000 französische und deutsche Soldaten das Leben verloren. Voraussichtlich wird die Erinnerungswelle wohl erst nach 2018, als auch die Waffenruhe des 11.11.1918 sein erstes Jahrhundert erlebt, abebben.
Der aktuelle „Boom“ der Erinnerung passt an sich in einem Trend. In den letzten zwanzig Jahren ist der Anzahl der Personen und Vereine, die sich mit der Geschichte des „Großen Krieges“ beschäftigen, in vielen Ländern bereits sehr stark angestiegen. Immer mehr Touristen besuchen auch die Orte des Massensterbens in den Schützengräben in Nordfrankreich und Flandern. Es bleibt aber bemerkenswert, dass der Erste Weltkrieg so viele Menschen – sogar in Ländern wie die Niederlande, die damals neutral waren –immer stärker beschäftigt. Entspricht das der tatsächlichen Bedeutung des Krieges für das letzte Jahrhundert? War er, wie der amerikanische Diplomat und Wissenschaftler George F. Kennan behauptete, wirklich die „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“, aus der die sonstigen, oft verheerenden Entwicklungen entsprungen sind? Oder hat der Erste Weltkrieg seine zunehmende politisch-kulturelle Bedeutung auch durch die Eigendynamik der biographischen und kollektiven Verarbeitung des Grauens bekommen? Und welche Rolle spielten die geschichtswissenschaftlichen Debatten über den Krieg: Wie bestimmend waren sie für die kollektive Erinnerung an dem Krieg und wie unabhängig gingen Historiker bei ihren Analysen vom Anlauf und Verlauf und von den Konsequenzen von „14-18“ vor? Die Debatten in der Historikerzunft, nicht nur in Deutschland, waren ja immer auch stark von politischen Kämpfen gebrandmarkt. 2013/14 wurde dies durch den überraschenden Streit in den Feuilletons um das Buch „Die Schlafwandler“ des australischen Historikers Christopher Clark noch einmal ganz klar demonstriert: Der politisch-wissenschaftliche Konsens über den „deutschen Schuld“ am Krieg wurde auf einmal wieder stark angegriffen.
In diesem Oberseminar beschäftigen die Studierenden sich mit der Art und Weise, wie in Geschichtsdebatten und Biografien über Ursachen, Ablauf und Folgen des Ersten Weltkrieges geschrieben wurde und wird. Sie diskutieren einerseits die unterschiedlichen Sichtweisen der Fachhistoriker und stellen die im Kontext der kollektiven Erinnerung und der Geschichtspolitik. Andererseits studieren sie die Verarbeitung der Kriegserfahrung in Biografien möglichst unterschiedlicher Menschen: von biografischen Werken von Künstlern, Literaten und Wissenschaftlern wie Käthe Kollwitz, Otto Dix, Thomas Mann oder Max Weber bis zu Politikern wie Gustav Stresemann und Konrad Adenauer. Auch wie der Krieg im Kulturbereich und in der Politik noch immer als Mahnung benützt wird, wird im Oberseminar kritisch besprochen. Die Studierenden organisieren gemeinsam eine virtuelle Ausstellung, sie halten ein Referat und schreiben eine individuelle Hausarbeit über ein Teilthema, z.B. über die Verarbeitung des Krieges durch eine Gruppe von Intellektuellen, Politkern oder Künstlern oder über die Bedeutung des Krieges für das Leben und Werken eines bestimmten Autors oder Künstlers.
Mehr zum Dozenten: http://www.uni-saarland.de/fachrichtung/geschichte/institut/lehrstuehle/prof-pekelder.html |