Kommentar |
Gefühle zählen unzweifelhaft zu den Grundbefindlichkeiten der Menschen in allen Kulturkreisen und damit zu den Kernthemen historisch-anthropologischer Forschung. Obwohl die Historische Anthropologie nur an wenigen Universitäten in Deutschland institutionell verankert ist, boomt die Geschichte der Gefühle aktuell auch in den allgemeinen Geschichtswissenschaften. So gibt es seit 2008 am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin einen Forschungsbereich, der sich der Geschichte der Gefühle widmet (http://www.mpib-berlin.mpg.de/de/forschung/geschichte-der-gefuehle ). In dessen Zentrum stehen Fragen wie „Haben Gefühle eine Geschichte? Und: Machen Gefühle Geschichte?“
Diesen großen historischen Fragen werden wir uns im Wintersemester in eher kleinen Schritten annähern. Dabei geht es zunächst einmal darum auszuloten, welche Gefühle menschliches Handeln überhaupt leiteten und leiten und wie sich diese ganz konkret in spezifischen historisch-kulturellen Kontexten äußerten und äußern. Den vermeintlichen Hexen in der Frühen Neuzeit z.B. wurde von Zeitgenossen vielfach unterstellt, dass sie aus ‚Hass und Neid‘ und damit aus niedrigen Gefühlen heraus agierten. Die Mutterliebe hingegen als vermeintlich biologisch fundiertes ‚Urgefühl‘ wurde in den 1980er und 1990er Jahren von Historikern als eine Erfindung der Moderne interpretiert. Und die Liebe zum Tier als im modernen Leben ebenfalls relevanter Teil des menschlichen Gefühlskanons wurde bislang erst ansatzweise auf ihre Wirkmächtigkeit für menschliches Handeln untersucht, um hier nur Beispiele zu nennen. Daneben gibt es zumindest begrifflich weitere menschliche Gefühle, die in ihren Inhalten eindeutig kulturell kodiert sind, wie z.B. das Ehr- oder auch das Schamgefühl. |