Kommentar |
Er hatte nur einen Job: Sich nicht nach seiner Geliebten Eurydike umzudrehen, während diese ihm aus der Unterwelt zurück ins Leben folgte. – Und was hat er getan? Er hat sich umgedreht. Und sie verloren. Danach wollte er keine andere mehr haben. Mit seiner Lyra saß er fortan auf einer Lichtung, klagend, und die Tiere scharten sich um ihn, weil keiner so schön sang wie er. Und weil er alle anderen Frauen verschmähte, wurde er schließlich von eifersüchtigen Anhängerinnen des Gottes Dionysos in Stücke gerissen. Bei der Insel Lesbos wurde sein Kopf an Land gespült. Es geht die Sage, dass aus seinem Mund immer noch Klagegesang ertönte …
Kaum eine mythologische Figur hat die europäische Kunst-, Literatur- und Geistesgeschichte so sehr inspiriert wie Orpheus. Kaum ein europäischer Dichter, der etwas auf sich hielt, der kein Orpheus-Gedicht geschrieben hat. Orpheus ist das Urbild der Dichter und der Sänger. Liebe, Tod, Trauer, Eifersucht, Gewalt – seine Geschichte vereint alle Elemente, die eine Geschichte interessant machen: Und jeder hat sich immer wieder die eine Frage gestellt: Warum in aller Welt hat er sich nach Eurydike umgedreht?
Die Übung will einen Überblick über den Orpheus-Motiv und seine Rezeption in der europäischen Kultur (Literatur, bildende Kunst, Musik, Film) von den antiken, griechisch-römischen Wurzeln des Stoffes bis hin zu modernen Bearbeitungen aus dem 20. Jahrhundert geben. Neben der Präsentation von Bildmaterial aus den unzähligen künstlerischen Bearbeitungen des Orpheus-Motiv wird ein Schwerpunkt der Veranstaltung auf der Literatur liegen; zu nennen sind hier insbesondere Werke von: Ovid, Vergil, Dante, Giovanni Boccaccio, Francis Bacon, Rainer Maria Rilke, Gottfried Benn, Paul Valéry, Ingeborg Bachmann, Paul Celan etc. Aber auch filmische Darstellungen aus dem 20. Jahrhundert, wie etwa die von Jean Cocteau und Helmut Dietl, sollen bei der Behandlung des Orpheus-Stoffes nicht zu kurz kommen. |